Der widerspenstige Planet
erzählen. Die Marquesa-Inseln, begann er, bestanden aus zwei leicht unterschiedlichen Inselgruppen, doch waren sie allesamt bergig und zerklüftet. Eine der Gruppen war die Kannibaleninsel genannt worden, denn die Marquesaner besaßen einst eine gewisse Berühmtheit für ihre Massaker an den Besatzungen von Handels- und Forschungsschiffen. Die Franzosen hatten die Inseln 1842 in ihren Besitz gebracht und sie 1993 in die Unabhängigkeit entlassen. Nuku Hiva war die Hauptinsel mit der Hauptstadt der Inselgruppe. Ihr höchster Gipfel, Temetiu, war fast eintausendfünfhundert Meter hoch. Die Hafenstadt Taiohae rühmte sich einer Bevölkerung von fast fünftausend Seelen. Es sei ein stiller, gemütlicher Flecken, meinte der Kapitän, und inmitten der geschäftigen, überbevölkerten Südsee gelte es als eine Art heiliger Ort der Ruhe. Denn hier befand sich das letzte Überbleibsel eines Polynesien des unverdorbenen zwanzigsten Jahrhunderts.
Blaine nickte, ohne viel von dem Vortrag des Kapitäns mitbekommen zu haben. Ihn beeindruckte im Augenblick mehr der Anblick des großen dunklen Bergrückens vor ihnen, der mit silbernen Wasserfällen geschmückt war, und das Tosen der Brandung gegen das granitene Felsengesicht der Insel.
Er entschied, dass es ihm hier gefallen würde.
Bald hatte das Schiff am Kai angelegt und Blaine ging von Bord, um sich die Stadt Taiohae anzusehen.
Er wanderte an einem Supermarkt vorbei, an drei Kinos, an Häusern in langen Reihen, die im Ranch-Stil gebaut
waren. Es gab viele Palmen, einige niedrige Ladengeschäfte mit riesigen Fensterfronten, ein Dutzend Cocktailbars, zahlreiche Autos, eine Tankstelle und eine Verkehrsampel. Die Bürgersteige waren voller Menschen in bunten Hemden und Shorts. Alle trugen Sonnenbrillen.
Dies war also das gerühmte letzte Überbleibsel eines Polynesien des unverdorbenen zwanzigsten Jahrhunderts, dachte Blaine. Ein Ferienkaff aus Florida in die Südsee versetzt!
Doch was hätte er vom Jahr 2110 auch anderes erwarten können? Die alten Polynesier waren jetzt so tot wie das englische Empire oder das Frankreich der Bourbonen. Und das Florida des zwanzigsten Jahrhunderts war tatsächlich sogar recht angenehm gewesen, erinnerte er sich.
Er ging die Hauptstraße hinunter und sah einen Anschlag an einer Hauswand, der verkündete, dass Postmeister Alfred Gray zum Repräsentanten der Jenseits-Corporation für die Marquesas ernannt worden war. Ein Stückchen weiter kam er zu einem kleinen schwarzen Gebäude mit einem Schild, auf dem Öffentliche Selbstmordkabine stand.
Aha, dachte Blaine spöttisch, die moderne Zivilisation erreicht auch diesen abgelegenen Ort. Als Nächstes werden sie eine Geistvermittlung einrichten. Na, und wo sind wir denn hier?
Inzwischen hatte er den Stadtrand erreicht. Als er umkehrte, kam ihm ein gedrungener, rotgesichtiger Mann entgegen.
»Mr. Elgin? Mr. Thomas Elgin?«
»Das bin ich«, bestätigte Blaine mit einer gewissen Zurückhaltung.
»Tut mir furchtbar leid, dass ich Sie am Kai verpasst habe«, sagte der rotgesichtige Mann und wischte sich seine breite, glänzende Stirn mit einer Bandana. »Keine Entschuldigung,
natürlich. Reine Nachlässigkeit meinerseits. Das laue Klima hier auf den Inseln. Man lässt sich gehen. Oh, ich bin Davis, Besitzer des Bootsbüros Point. Willkommen auf Taiohae, Mr. Elgin.«
»Vielen Dank, Mr. Davis«, erwiderte Blaine.
»Im Gegenteil, ich habe Ihnen noch einmal dafür zu danken, dass Sie auf meine Anzeige geantwortet haben«, sagte Davis. »Ich suche schon seit Jahren einen anständigen Bootsbauer. Sie können sich das gar nicht vorstellen! Und, ganz offen zugegeben, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal einen Mann mit Ihren Qualifikationen finden würde.«
»Ach ja«, sagte Blaine, angenehm überrascht von der Gründlichkeit, mit der Orc hier alles vorbereitet hatte.
»Gibt nicht viele Leute, die sich mit dem Bootsbau des zwanzigsten Jahrhunderts auskennen«, meinte Davis traurig. »Eine aussterbende Kunst – Haben Sie sich schon auf der Insel umgesehen?«
»Gerade eben, ganz kurz«, erwiderte Blaine.
»Meinen Sie, Sie könnten es hier aushalten?«, fragte Davis gespannt. »Sie haben keine Ahnung, wie schwer es ist, einen guten Bootsbauer zu finden, der sich in einem so stillen, abgelegenen Hafen niederlassen will. Alle wollen in große Städte wie Papeete oder Apia. Ich weiß natürlich, dass dort auch mehr gezahlt wird, und es gibt mehr Vergnügen, Gesellschaft und all diese Dinge. Aber
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