Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
Wetter genau voraussagen.«
De Nostredame runzelte die Stirn. »Natürlich können wir das Wetter voraussagen! Das lernen die Studenten der VorWissenschaft bereits im ersten Semester.«
Norma verfluchte sich. Sie hatte ganz vergessen, dass sie sich in der Demi-Monde befand, in der ABBA – der ABBA in der Realen Welt – Dinge wie das Wetter etwas planmäßiger gestaltet hatte als da, woher sie kam. »Na schön, ich räume ein, dass sich das Wetter voraussagen lässt, trotzdem gibt es dreißig Millionen Demi-Mondianer mit einem freien Willen, sodass ihr Handeln alles andere als vorhersehbar ist.«
De Nostredame seufzte und sah Kondratjew an. »Nikolai, da meine Pfeife einer gründlichen Wartung bedarf, könnten Sie diesen Herrschaften bitte die Geheimnisse der VorWissenschaft in Relation zum freien Willen erläutern?«
Kondratjew stand auf, trat zum Fenster und betrachtete die Reihen von Maschinen, die in der Halle vor sich hinratterten. Er sah genauso aus, wie das, was er war: ein Wissenschaftler. Seine Kleidung war ein wenig schlampig, und er hatte einen verträumten Blick, trotzdem wirkte er stählern, wie ein Mann, der nicht zögern würde zu tun, was er für richtig hält.
»Lassen Sie mich ganz am Anfang beginnen. Seit meiner Kindheit war ich von zweierlei Dingen besessen, mathematischen Modellen und Geschichte. DAE mon verschaffte mir die Gelegenheit, diese Besessenheit zu vertiefen, indem es mir die Möglichkeit bot, eine forensische Studie über die ökonomischen Daten in der venezianischen Börse zu machen. Bei der Analyse dieser Daten suchte ich nach einem Muster, einer Schablone, einer Symmetrie dessen, was in der Welt vor sich geht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung führten mich zu der Entdeckung, dass die Geschichte der Demi-Monde einen merkwürdigen, sinusförmigen Aspekt aufweist. Nach meinen Schätzungen bewegt sich die Geschichte in einer regelmäßigen und durchaus voraussagbaren Art und Weise, wie Ebbe und Flut in den Flüssen der Demi-Monde. Und somit ist die Vergangenheit die perfekte Blaupause für die Zukunft.«
»Klingt ein bisschen sehr weit hergeholt«, murmelte Norma.
Kondratjew zuckte die Achseln. »Die Ereignisse der Demi-Monde bewegen sich in wellenförmigen Mustern, mit Ereignissen, die sich in vierundfünfzigjährigen Zyklen wiederholen, und diese ökonomischen Wechsel werden begleitet von ebenso voraussagbaren Mustern wie Krieg, sozialer Wandel oder Mode … alles Mögliche. Das ist das Deterministische Muster, das ABBA der Demi-Monde auferlegt hat. ABBA erfordert – ja verlangt –, dass die MenschHeit auf Deterministische, also vorhersehbare Art und Weise handelt. Deshalb ist dieses Prinzip des freien Willens, das Sie, Mademoiselle Norma, so heftig propagieren, falsch. In der Demi-Monde gibt es den freien Willen nicht, es gibt nur die Illusion, einen freien Willen zu haben. Im großen Rahmen wird jeder Bewohner der Demi-Monde durch die makro-Deterministischen Kräfte der Geschichte beherrscht. Nur Dämonen wie Sie selbst und Ihresgleichen, Mademoiselle Williams, verfügen tatsächlich über einen freien Willen.«
»Das kann ich nicht akzeptieren«, unterbrach ihn Vanka. »Der freie Wille ist ein entscheidender Aspekt der MenschHeit, das Einzige, was Menschen von Tieren unterscheidet.«
»Die wahre Natur des freien Willens, Monsieur Maykow, ist seit Tausenden von Jahren Gegenstand heftiger, wenn auch irrelevanter Debatten von Philosophen, Theologen und Wissenschaftlern gewesen. Diese Debatte ist jetzt abgeschlossen. Die Mathematik der VorWissenschaft zeigt eindeutig, dass das Wellenmuster genauso unausweichlich wie vorhersagbar und die MenschHeit daher von Natur aus Deterministisch ist. Durch den Einsatz einer Armee von Versicherungsmathematikern und Computatoren –« damit zeigte Kondratjew auf die Reihen von Schreiberlingen, die durch die Halle wuselten –, »sind wir in der Lage, bis zu einem absurd hohen Ausmaß an Wahrscheinlichkeit das Eintreffen von bestimmten Ereignissen vorauszuberechnen – seien es Kriege, Blutknappheit, Hungerkatastrophen, die Höhe männlicher Hüte oder die Kürze der Röcke. Und das führt die Behauptung, der Mensch verfüge über einen freien Willen, ad absurdum.«
Kondratjew holte tief Luft, ehe er fortfuhr. »Salopp gesagt, Determinismus ist die Auffassung, dass alle gegenwärtigen und zukünftigen Ereignisse durch in der Vergangenheit stattgefundene Ereignisse vorherbestimmt sind. Oder von einem eher abstrusen theologischen
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