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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Nähe untergekommen.«
    Hoogens winkte mit einem Augenrollen ab. »Ein paar Tage da haben mir völlig gereicht. Und Smolski ist es auch lieber, wenn ich hier mein müdes Haupt zur Ruhe bette. Wenn ich was gegen seine nervöse Ader tun kann, mache ich das gern.«
    »Verstehe.« Jule beschloss, auf die Probe zu stellen, inwiefern Smolskis Bedenken gerechtfertigt waren. »Ich habe vorhin zwei Leichenwagen vorbeifahren gesehen.«
    Hoogens nickte. »Gut möglich.«
    »Und?«
    »Und was?«
    »Warum waren die Leichenwagen hier?«
    »Sieh an, sieh an.« Hoogens verzog sein Gesicht zu einem belustigten Grinsen. »Sind Sie es von Smolski schon so sehr gewöhnt, in unsere Ermittlungen eingeweiht zu werden, dass Sie meinen, bei mir würde das genauso laufen?«
    »Ich …« Jule zuckte mit den Schultern.
    »Schon gut. Die Sache ist ohnehin vorbei. Ob Sie es jetzt von mir hören oder später im Fernsehen …« Er setzte eine ernste Miene auf und schlug einen nüchternen Tonfall an, wie er ihn wahrscheinlich auch bei Pressekonferenzen verwendete. »Wir haben heute Morgen das Grundstück eines Odisworther Schweinebauern namens Erich Fehrs mit Leichenspürhunden durchkämmt.« Er machte eine Pause, als wollte er Jule noch die Chance geben, Stopp zu sagen, bevor er ins Detail ging. »Und wir sind bei dieser Aktion fündig geworden. Auf dem Grundstück waren zwei weitere Leichen vergraben. Die Leichen befanden sich in einem fortgeschrittenen Verwesungszustand, der darauf schließen lässt, dass sie bereits längere Zeit tot sind.«
    Jule zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Ihr wurden die Knie weich. »Ist Kirsten Küver dabei?«
    »Dazu können wir derzeit noch keine endgültige Aussage treffen.« Er kehrte an seinen Platz am Tisch zurück und schlug die Aktenkladde zu. »Jedenfalls handelt es sich um die Leichen zweier weiblicher Personen. Die eine war laut einer ersten Einschätzung unseres zuständigen Gerichtsmediziners zum Todeszeitpunkt zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahre alt, die andere deutlich älter.«
    In Jule krampfte sich alles zusammen. »O mein Gott. Seine Frau hat ihn nicht verlassen. Er hat sie umgebracht …« Erinnerungen wirbelten in Jules Kopf durcheinander. Fehrs, wie er mit nacktem Oberkörper seinen Hund begrub. Das von Zigarettenrauch vergilbte Brautkleid seiner Frau. Die Bürste, um deren Borsten sich silberne Haare wanden. »Wo ist er jetzt?«
    »Fehrs?«
    Jule nickte.
    »In Untersuchungshaft. Smolski ist mit ihm in die JVA Flensburg gefahren.« Hoogens’ Miene entspannte sich. Seine Stimme nahm wieder ihren ursprünglichen lockeren Klang an. »Er ist echt durch den Wind. Fehrs, meine ich, nicht den Polen.« Er grinste über seinen eigenen schlechten Scherz.
    Jule hielt es in Hoogens’ Gegenwart nicht mehr aus. Es war nicht einmal seine Schuld. Egal, wie sehr er auch darauf beharren mochte, dass keine endgültige Aussage über die Identität der jüngeren Toten zu treffen war, wusste Jule doch, wer sie war. Alles Hoffen und Bangen um eine Fremde, die aussah wie sie selbst, war vergebens gewesen. Kirsten Küver führte kein sorgenfreies Aussteigerleben in Asien. Kirsten Küver war tot.

119
     
    »Jule? Hallo?« Rolfs Stimme am anderen Ende der Leitung wurde von lauter Musik im Hintergrund fast übertönt. Einfallsloser Plastikpop mit stampfendem Bass und einer quäkenden Frauenstimme. Er schnaufte schwer, als wäre er eben erst einen Marathon gelaufen. Wahrscheinlich reparierte er gerade einen Trecker in irgendeiner Scheune. »Hallo?«
    »Hallo.« Jule presste sich das Handy fest ans Ohr. »Rolf, sei mir bitte nicht böse, aber ich würde gern für nachher absagen.«
    Sie merkte am Zittern in seinem Atem, wie sehr ihn diese Nachricht verletzte. »Okay«, sagte er nach einer Weile. »Das ist aber nicht wegen vorhin, oder?«
    »Meinst du den Kuss?« Dachte der arme Kerl etwa, sie bereute das?
    »Und weil ich dich zum Fahren genötigt habe.«
    »Nein. Das ist es nicht. Absolut nicht. Das war …« Sie zögerte, bis ihr ein Wort einfiel, das vielsagend und gleichzeitig inhaltsleer genug war, um weder ihn noch sich zu belügen. »Das war schön. Sehr schön.«
    »Danke.«
    »Ich hätte nur ein schlechtes Gewissen, weil ich mir schäbig dabei vorkommen würde, mich am gleichen Tag, an dem man hier zwei Leichen gefunden hat, abends mit dir zu treffen und dir vorzugaukeln, dass mich das nicht irgendwie mitnimmt«, lieferte sie ihm die Entschuldigung, die sie sich für diesen Augenblick

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