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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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begreife noch nicht, warum Sie sich nicht denken konnten, dass wir Sie für einen der Hauptverdächtigen halten würden.«
    Fehrs wollte lachen, aber es wurde zu einem krächzenden Husten. Als seine Lungen aufhörten zu brennen, sagte er: »Ach Gott, Herr Kommissar. Warum? Weil ich nie geglaubt hätte, dass die Polizei meint, ein mordender Schweinebauer würde die Leichen irgendwo im Wald verscharren, wenn er den ganzen Stall voller hungriger Mäuler hat.«

121
     
    Smolski brauchte eine Pause. Und eine Zigarette. Er rauchte sie vor dem Gebäude und war erst beim dritten Zug, als sein Handy klingelte. Er holte es aus seiner Jacke, warf einen Blick auf das Display und nahm den Anruf an. »Ulf, alte Hütte. Nachtschicht?«
    »Nachtschicht«, bestätigte Grüner. »Danke dafür.«
    »Tut mir leid«, besänftigte Smolski den übellaunigen Gerichtsmediziner. »Wenn es dir irgendwie hilft: Ich bin hier in Flensburg und habe auch noch eine lange Nacht vor mir. Keine von der angenehmen Sorte. Was gibt’s?«
    »Reicht die Kurzfassung?«
    »Klar.«
    »Na dann.« Grüner atmete tief durch. »Der Ersteindruck hat dich nicht getäuscht: Margarete Fehrs ist höchstwahrscheinlich keines gewaltsamen Todes gestorben. Die andere Frau definitiv schon. Und sie hat die passenden Verstümmelungen für unseren Mörder. Inklusive Silikon.«
    »Hatte sie was im Magen?«, fragte Smolski.
    »Nichts. Nicht einmal kleinste Nahrungsreste. Und der Darm ist auch leer. Wie bei den ersten beiden Opfern.«
    »Fuck.« Smolski stellte sich einer Befürchtung, die er seit Längerem hegte. »Weißt du, was das heißt?«
    »Dass er sie eine ganze Weile am Leben lässt, bevor er sie tötet«, knurrte Grüner. »Und dass er ihnen in dieser Zeit nichts zu essen gibt.«
    »Er hungert sie aus«, murmelte Smolski. »Er verschleppt sie irgendwohin, wo er keine Angst haben muss, dass ihn jemand stört, und hält sie dort fest.«
    »Ich habe da noch was Interessantes«, sagte Grüner. »Ich habe auf der Gesichtshaut von Melanie Tockens Natriumhypochlorit gefunden.«
    »Natriumhypochlorit?«
    »Bleichlauge. Außerdem Rückstände von unterschiedlichen Sorten Talkum, Pigmenten und Paraffinwachsen, auch in den Haaren, vermutlich von der Lauge dorthin gespült. Dutzende dieser Stoffe.«
    »Okay.« Smolski runzelte die Stirn. »Wir reden von Make up, oder?«
    »Bingo«, gab ihm Grüner recht. »Rouge, Mascara, Lidschatten. Das volle Programm.«
    »Und? Sie wurde zum letzten Mal bei einer Scheunendisco gesehen. Da ist sie sicher nicht ungeschminkt hin.«
    »Wohl wahr. Aber hier geht es um eine Menge an unterschiedlichen Stoffen aus unterschiedlichen Produkten, die nichts mehr damit zu tun haben, dass sich eine Frau für einen Abend rausputzt. Das ist eher die Größenordnung von einer ganzen Kosmetikabteilung.« Grüner räusperte sich. »Passend zu unserer Textilabteilung, die wir mit unseren Faserspuren aufmachen könnten. Willst du die Liste noch mal hören? Baumwolle, Nylon, Leinen, Schafswolle, Seide, Polyester, Elasthan, Led –«
    »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Smolski. »Alles, woraus man handelsübliche Bekleidungsstücke so herstellt. Noch dazu in allen nur erdenklichen Farben. Ob du’s glaubst oder nicht, Ulf, ich lese deine Berichte.«
    »Gabriel«, sagte Grüner vorsichtig. »Ich würde gern noch eine Einschätzung von mir ändern, die ich in dem Zusammenhang vor ein paar Tagen abgegeben habe.«
    »Und welche ist das?«
    »Ich hatte doch gesagt, der Mörder wäre extrem schlampig gewesen, so viele Faserspuren zu hinterlassen.«
    »Ja.«
    »Aber mittlerweile …« Grüner zögerte. »Ich bin zwar kein Profiler, aber nach der Bleichlauge und dem Make-up habe ich das ungute Gefühl, es könnte ihm auch einfach nur egal gewesen sein. Als ob er sich richtig ausgetobt hätte, mit den Kleidern und der Schminke. Wie ein Kind beim Spielen.«
    Ein Satz von Hoogens geisterte bruchstückhaft durch Smolskis Gedächtnis. Irgendetwas über Basteln und Traumfrauen. »Scheiße, Ulf.« Smolski schnippte seine Zigarette weg, die bis zum Filter heruntergebrannt war, ohne dass er in den letzten Minuten noch ein einziges Mal an ihr gezogen hatte. »Ich glaube, ich weiß, was er mit diesen Frauen macht. Er behandelt sie, als wären sie Puppen.«

122
     
    »Guten Morgen.«
    »Morgen.« Smolski steckte seine Packung Nil in die Brusttasche seines zerknitterten Hemds und schenkte Jule einen langen misstrauischen Blick. Sein Haar war auf einer Seite platt gedrückt, und

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