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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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ihm egal. Wenn das neue Spiel mit Kirsten zu Ende war, würde er nur noch ein einziges Mal ein Brautkleid kaufen gehen müssen. Mit ihr zusammen.

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    Die beiden Termine, die für Jule an diesem Tag noch anstanden, absolvierte sie eher halbherzig. Mit ihren Gedanken war sie nicht bei den finanziellen Zugewinnen und auch nicht bei den Sorgen der Odisworther über Infraschall, den die Windräder erzeugten. Sie war bei Rolf.
    Sie hatten weder über den Kuss noch über die Leichenwagen miteinander geredet. Nach einer freundlichen Verabschiedung war er ausgestiegen. Sie hatte ihm noch lange nachgesehen, wie er die Hauptstraße hinunterging. Zu den Leichenwagen hätte es ja auch nicht viel zu sagen gegeben.
    Der Kuss beschäftigte Jule mehr. Sie wunderte sich nach wie vor über sich selbst. So spontan und impulsiv war sie zum letzten Mal bei einer Erstsemesterparty an der Uni gewesen, und diese Sache war damals alles andere als glücklich ausgegangen. Der Kommilitone, dem sie sich an den Hals geworfen hatte, war von so viel Übereifer derart überrascht gewesen, dass er sie in der Folge in ihrem gemeinsamen Seminar völlig ignoriert hatte. Würde es mit Rolf anders laufen?
    Zudem war ihre Impulsivität nicht das einzige Problem. Was versprach sie sich eigentlich von Rolf? Ein schnelles Abenteuer? Eine feste Beziehung? Sie kannte ihn kaum. Wenn sie ehrlich zu sich war, lauerte im Verborgenen schon jetzt allerlei Konfliktpotenzial. Er war Handwerker, sie Akademikerin. Sie hörte mit Vorliebe Infosender, er solche, die die Charts hoch und runter spielten. Sie verdiente bestimmt mindestens das Dreifache von ihm. Keine guten Voraussetzungen für ein auf Dauer funktionierendes Miteinander. Sie fragte sich, ob sie einige dieser Punkte bei ihrem vereinbarten Date im Restaurant behutsam abtasten sollte. Oder machte sie damit mehr kaputt, als dass es ihr weiterhalf?
    Sie war froh, als sie nach den beiden Terminen ihren Wagen endlich vor der Pension parken konnte. Sie genoss den Moment absoluter Ruhe. In letzter Zeit passierten viel zu schnell viel zu viele Dinge. Sie fühlte sich langsam restlos überfordert und wäre für jeden gut gemeinten Ratschlag unsagbar dankbar gewesen.
    Sie wählte Caros Nummer, erwischte aber nur die Mailbox. Typisch. Da hätte sie Caro wirklich einmal gebraucht, und dann trieb sie sich weiß Gott wo herum. Zum Glück war sie in Odisworth einer Person begegnet, die sie mehr und mehr als mütterliche Ratgeberin und Freundin betrachtete. Jule stieg aus und machte sich auf die Suche nach Eva Jepsen.

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    Eva erwies sich als unauffindbar, doch das Haus war nicht verwaist. Im Frühstücksraum saß ein Mann mit dunkelbraunem Bürstenhaarschnitt über einer Aktenmappe. Er schaute interessiert hoch, als er Jule in der Tür stehen sah, als hätte er nur auf irgendeine Ablenkung gewartet, um seine Unterlagen nicht länger studieren zu müssen. Seine imposante Nase war wie ein breiter Keil der Männlichkeit in seinem ansonsten jungenhaften, glatt rasierten Gesicht.
    »Besuch«, sagte er erfreut. Er stand auf und ging um den Tisch herum, um Jule die Hand zu schütteln. »Stefan Hoogens.«
    »Jule Schwarz.«
    Hoogens, Hoogens. Ach ja, richtig. Das war also der geheimnisvolle Partner von Smolski.
    »Ah, der Pole hat mir von Ihnen erzählt.«
    Jule lächelte, als sie hörte, dass Smolski seinen alten Spitznamen aus Dorfjugendzeiten anscheinend auch im Polizeidienst nicht losgeworden war. »Hoffentlich nur Gutes.«
    »Klar.« Hoogens legte ein unverschämtes Grinsen an den Tag, das er sich wohl von Smolski abgeschaut hatte – oder umgekehrt. »Sie sind genau sein Typ. Sehen ein bisschen aus wie seine Exfrau.«
    »Aha, sehr schmeichelhaft.« Seine Exfrau? Ob das die Frau auf dem Bild vom Polizeiball war? »Er ist also geschieden.«
    »Gewissermaßen.« Hoogens schob die Unterlippe vor. »Sie ist ihm vor ein paar Jahren davongelaufen. Ohne Vorwarnung. Heute hier, morgen fort. Hat ihn ziemlich mitgenommen.«
    Smolski hatte wirklich allen Grund dazu gehabt, sich über die mangelnde Verschwiegenheit seines Partners zu beklagen. Es hätte ihm bestimmt nicht gefallen, wie Hoogens bereitwillig Details aus seinem Privatleben ausplauderte. »Was machen Sie hier?«, fragte sie.
    »Übernachten, schätze ich mal«, entgegnete er trocken.
    »Ach so.« Er brachte es tatsächlich fertig, ihr damit ein Schmunzeln zu entlocken. »Smolski hatte nur gemeint, Sie wären für die Dauer Ihrer Ermittlungen bei Verwandtschaft in der

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