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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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hier.«
    Hoogens glaubte ihm. Er klappte sein Handy wieder zu und wählte einen versöhnlichen Tonfall für seine nächsten Worte: »Mensch, Junge. Warum bist du nicht gleich stehen geblieben? Ich hätte dich um ein Haar abgeknallt.«
    »Das wär vielleicht besser so gewesen.«
    Die Erwiderung des Jungen jagte Hoogens einen Schauer über den Rücken. »Wieso?«
    »Mich mag doch eh keiner«, gab Jonas zurück und brach endgültig in Tränen aus.
    »Okay.« Hoogens fühlte sich restlos damit überfordert, hier den Seelentröster zu machen. Er war schließlich Bulle, kein Sozialpädagoge. »Schwirr ab.«
    Jonas drehte sich um und stapfte schluchzend durch den Wald davon.
    Hoogens sah ihm kopfschüttelnd nach und beschloss, erst mal keinen Bericht über seinen Schusswaffengebrauch zu schreiben. Er wollte sich auf keinen Fall einen Spitznamen wie »Babykiller« einhandeln.

36
     
    Jule stand unter der Dusche und schaute dabei zu, wie das dampfende Wasser zu ihren Füßen wirbelnd im Abfluss verschwand. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie sich nun bei Caro melden sollte oder nicht. Segers mysteriöser Anruf ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie hatte den Verdacht, dass ihre beste Freundin sich mit ihrem Therapeuten ausgetauscht hatte. Das war die einzige Erklärung, die Segers ungewöhnlichem Verhalten halbwegs Sinn verlieh. Und es machte sie rasend. Wie konnten die beiden nur!
    Jule stellte das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Gerade, als sie sich ein Handtuch um den Kopf gewickelt und entschieden hatte, den Anruf bei ihrer Freundin sein zu lassen und sie für diese miese Aktion eine Weile mit Missachtung zu strafen, klingelte ihr Smartphone. Auf nassen Sohlen huschte sie ins Schlafzimmer, wo das Handy zum Aufladen an der Steckdose neben dem Nachttisch hing. Die Nummer auf dem Display ließ sie stutzen. Wer rief sie sonntags aus dem Büro an?
    »Jule Schwarz.«
    »Hi, Jule. Hier ist Andreas.«
    »Hi.« Mehr brachte sie nicht heraus. Was wollte der denn? Ihr die Ohren mit Vorwürfen vollheulen, dass sie ihm sein Projekt geklaut hatte? Sie bereitete sich innerlich darauf vor, ihm lang und breit zu erklären, dass sie beide zum Opfer einer von Norbert Schwillmers berühmten Blitzentscheidungen geworden waren. »Was kann ich für dich tun?«, fragte sie förmlich.
    »Ich bin im Büro vorbeigefahren, um zu überprüfen, ob du auch alle Unterlagen für Baldursfeld bekommen hast.« Da war kein Vorwurf zu hören. Im Gegenteil. Andreas klang eher gelöst, fast heiter. »Mir ist aufgefallen, dass dir die aktuelle Version des Bebauungsplans noch fehlt. Ich tüte sie gerade für dich ein und schicke sie zu den Jepsens, ja?«
    »Okay.« Das war seltsam. Jule hatte große Mühe, sich auszumalen, wie Andreas entspannt an seinem Schreibtisch saß. Außer bei feuchtfröhlichen Firmenfeiern, wo er sich gern überschwänglich zeigte, war er eher ein verbissener Mensch, dem die ständigen Sorgen tiefe Falten um die Mundwinkel in sein teigiges Gesicht gegraben hatten. »Aber dafür hättest du doch nicht extra sonntags ins Büro kommen müssen. Das hätte am Montag noch genauso gereicht.«
    »Ich hatte eh nichts Besseres vor«, antwortete er.
    »Verstehe.« Jule setzte sich aufs Bett und wagte sich ein Stück weit aus ihrer Deckung. Sie traute dem Frieden nicht. »Sag mal, bist du gar nicht sauer?«
    »Sauer? Wieso?«
    »Wegen des Projekts«, wählte Jule eine verhältnismäßig neutrale Formulierung für die Übernahme seines alten Kompetenzbereichs. »Ich dachte, es wäre deine Idee gewesen, den Windpark in Odisworth anzusiedeln.«
    »Echt? Von wem hast du das? Hat Schwillmer das gesagt?«
    »Nicht direkt«, gestand Jule. »Es hatte sich nur so angehört, und du kommst ja auch von dort.«
    »Okay. Aha.« Verbitterung schwang in seinen Worten mit. »Interessiert es dich, wie es wirklich gewesen ist?«
    »Schon.« Jule schlug die Bettdecke über ihre nackten Beine. Das hier konnte länger dauern.
    »Eigentlich ist es genau umgekehrt. Schwillmer hat nach möglichen Standorten für Baldursfeld gesucht. Er hing tagelang über irgendwelchen Karten. Dann hat er mich zu sich ins Büro gerufen, auf eine von den Karten gezeigt und gesagt: ›Odisworth, da kommst du doch her, oder?‹ Was hätte ich da machen sollen? Lügen?« Kurze Pause. »Ja, wahrscheinlich hätte ich mal besser lügen sollen. Dann hätte er sich einen anderen Ort für diesen beschissenen Windpark ausgesucht. Oder zumindest mich damit in Ruhe gelassen.«
    »Was ist daran so

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