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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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den nächsten Schuppen.
    »Erich …« Ute wollte ihm eine Hand auf den Arm legen, aber er schlug sie barsch beiseite.
    »Sie bleibt hier«, wiederholte er etwas ruhiger. »Sie bleibt hier.«
    »Was ist, wenn die Polizei das ganze Grundstück absucht und nicht nur den Wald?«, wandte Ute ein. »Dann finden sie sie. Dann holen die sie von hier weg.« Zum ersten Mal, seit sie Erich Fehrs aus seiner misslichen Lage geholfen hatte, kamen Ute Zweifel, ob es richtig gewesen war, ihr Selbstverständnis als gute Christin über Recht und Gesetz zu stellen. »Und dann kriegen wir alle Ärger. Jeder von uns.«
    Erich ließ den Kopf hängen. »Ich hab doch höchstens noch ein paar Jahre. Mehr nicht. Und jetzt kommt alles auf einmal. Erst will Mangels, dass ich was von meinem Land für diese Windräder verkaufe, und jetzt das. Das wird mir zu viel.«
    Dieses Mal ließ es Erich zu, dass sie ihm durch eine Berührung ihre moralische Unterstützung zeigte. »Mangels lass mal meine Sorge sein. Aber die Polizei? Da kann uns nicht mal Assmuth helfen. Er ist auf unserer Seite, aber er ist nur ein einfacher Dorfpolizist, die Leute, die wegen der Leiche kommen, sind echte Profis. Er kann nichts für uns tun. So viel Einfluss hat er nicht.« Sie fasste seinen Arm ein wenig fester. »Versprich mir, dass du wenigstens ernsthaft darüber nachdenkst.«
    Er wand sich aus ihrem Griff. »Ich muss nach dem Ferkel sehen«, sagte er, drehte sich um und verschwand im Schweinestall.

38
     
    Caro tat das, was sie immer tat, wenn sie nicht wusste, wohin mit ihren Sorgen: Sie putzte.
    Beim Auswischen der Küchenschränke kreisten ihre Gedanken um Lothar. Sie war gekränkt, dass er ihr bei ihrem letzten Telefonat das Messer auf die Brust gesetzt hatte. Sie hatte lange mit sich gerungen und abgewogen, ob sie sich auf seine Bedingungen einlassen wollte. Inzwischen war sie zu einer Entscheidung gelangt, aber sie hatte noch nicht die nötige Kraft gefunden, um sie ihm mitzuteilen.
    Sie machte mit dem Absaugen der Sofakissen weiter. Es gab noch einen Menschen, von dem sie enttäuscht war: Jule. Ja, sie hatte sich nichts davon anmerken lassen, dass sie Zoff mit Lothar hatte, aber man konnte doch wohl von seiner besten Freundin erwarten, dass sie trotzdem merkte, wenn einem etwas auf der Seele lastete. Das Schwierige dabei war, dass Jule dafür kein Verständnis hätte. Dafür war sie viel zu rational, und sie würde wahrscheinlich nur sagen, dass Caro ja den Mund aufmachen könne, falls etwas nicht in Ordnung sei. Dass das in manchen Situationen aber verdammt schwer war, sah Jule nicht ein.
    Beim Spiegelputzen im Bad dachte Caro darüber nach, wie sie Jule kennengelernt hatte: Vor ein paar Jahren hatten sie denselben Yogakurs an der Volkshochschule belegt. Jule hatte den Kurs nach drei Terminen bereits wieder abgebrochen, aber Caro hatte den Kontakt zu ihr gehalten, weil eine andere Kursteilnehmerin gefragt hatte, ob sie und Jule Schwestern seien. Caro hatte dieser Gedanke gefallen. Eine Schwester. In Wirklichkeit war sie als Einzelkind aufgewachsen. Also hatte sie beschlossen, Jule besser kennenzulernen, und Jule wurde zu einer wirklichen Bereicherung für ihr Leben.
    Je länger sie darüber sinnierte, was Jule für sie bedeutete und wie sehr sie sich glichen, desto lauter wurde eine Stimme in ihrem Kopf, die ihr einen unfassbaren Verdacht einflüsterte. Und genau dieser Verdacht brachte sie dazu, endlich Klartext mit Lothar zu reden. Sie ließ den Lappen am Waschbeckenrand liegen und rief bei ihm zu Hause an.
    »Schön, dass du dich meldest«, sagte er. Er klang sogar erleichtert.
    Caro kam sofort zur Sache. »Bevor ich dir sagen kann, ob ich akzeptiere, dass du mir gewisse Dinge über dich vorenthältst, habe ich eine Forderung an dich.«
    »Und die wäre?«, fragte er.
    »Ich will, dass du mir eine Frage offen und ehrlich beantwortest.«
    Sie holte tief Luft und spannte ihren ganzen Körper an. »Bist du nur mit mir zusammen, weil ich so aussehe wie Jule?«
    »Was?« Wenn er nicht überrascht war, spielte er es erstklassig vor. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Ja oder nein?«
    »Nein«, sagte er ernst. »Und wenn du fünf Sekunden ernsthaft darüber nachgedacht hättest, hätte dir auffallen können, dass wir beide schon deutlich länger zusammen sind, als ich Jule überhaupt kenne.«
    Caros Muskeln wurden wieder schlaff. Er hatte völlig recht. »Da siehst du mal, was du bei mir mit deiner blöden Geheimniskrämerei anrichtest«, warf sie ihm vor.

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