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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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erst davon überzeugen – ihr Blick war an dem Brotmesser haften geblieben, das sie sich gestern Abend auf den Nachttisch gelegt hatte. Da war ihr das noch als eine vertretbare und vernünftige Maßnahme erschienen, doch jetzt – am helllichten Tag – schämte sie sich dafür. Sie versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. »Du steigerst dich da bloß in etwas hinein.« Er konnte es leugnen, so viel er wollte: Seine Abberufung von dem Projekt hatte ihn offenbar mehr mitgenommen, als er sich selbst eingestehen konnte. »Mach den Bebauungsplan für die Post fertig, geh nach Hause und leg dich ins Bett. Du hattest in letzter Zeit einfach nur zu viel um die Ohren.«
    »Du glaubst mir nicht«, stellte er fest. Sein Trotz war merklich gewachsen. »Gut. Dann frag die feinen Herrschaften in Odisworth doch mal, wo die Frau vom alten Fehrs abgeblieben ist, und schau dir an, was dann passiert.«
    »Andreas, ich finde wirklich, du solltest …« Er hatte aufgelegt. Sie wählte seine Nummer im Büro, aber er ging nicht ran. Sie versuchte es auf seinem Handy. Mit demselben Ergebnis. Etwas erreichte er damit: Seine düstere Warnung ließ sie den Rest des Tages nicht mehr los – auch wenn es noch eine Weile dauern sollte, bis sie erkannte, wie ernst es ihm tatsächlich damit gewesen war.

37
     
    »Warum machen sie das?«
    Ute Jannsens Glaube an die Schönheit und innere Reinheit der Schöpfung wurde auf eine harte Probe gestellt: Obwohl Schwanz und Ohren des Ferkels bereits jetzt nichts mehr als nasse rote Stümpfe waren, ließen seine Geschwister nicht davon ab, es weiter zu bedrängen. Quiekend stiegen sie in ihrer grausamen Gier übereinander hinweg und schnappten wieder und wieder nach den blutenden Stellen.
    »Das machen sie eben manchmal«, sagte Erich Fehrs. Er öffnete den Verschlag und scheuchte die gierige Rotte mit dem Stiel einer Mistgabel auseinander. Er hob das verletzte Ferkel auf, begutachtete kopfschüttelnd die Wunden und trug es ein paar Schritte weiter zu einem leeren Verschlag. Kaum hatte er es abgesetzt, begann das Ferkel, jämmerlich nach seinen Geschwistern zu rufen, als hätte es bereits vergessen, was sie ihm angetan hatten. »Manche sagen, es liegt am Futter oder an den Stallgasen. Keiner weiß es so genau. Schweine haben schon immer andere Schweine angefressen.« Er zuckte die Schultern. »Vielleicht merken die anderen, dass was mit ihm nicht stimmt. Dass es krank ist.«
    Ute Jannsen zog sich ihren Schal über Mund und Nase, weil sie den beißenden Gestank nach Schweinemist nicht mehr aushielt. Es war nicht ihr erster Besuch in einem Stall, aber sie hatte sich nie an den durchdringenden Geruch gewöhnen können. Sie fragte sich manchmal, wie Erich damit zurechtkam, doch er war zeitlebens Schweinebauer gewesen und ging mittlerweile stramm auf die achtzig zu. Acht Jahrzehnte waren wahrscheinlich mehr als genug, um den Gestank nicht mehr zu bemerken.
    »War die Polizei schon bei dir?«, wollte sie von ihm wissen und bewegte sich auf das Stalltor zu, in der Hoffnung, ihn hinaus an die frische Luft locken zu können.
    Erich machte eine wegwerfende Geste und folgte ihr tatsächlich. »Einer war da. So ein Kommissar. Hat mich ganz schön ausgequetscht. Verraten habe ich ihm nichts.«
    »Gehörst du zu den Verdächtigen?« Ute trat ganz auf den Hof hinaus und zupfte ihren Schal zurecht. Sie war froh, dass das Quieken des verletzten Ferkels hier draußen viel leiser war.
    Erich holte eine Zigarette aus der Brusttasche seiner Latzhose und zündete sie an. »Was meinst du denn? Natürlich bin ich ein Verdächtiger. Die Leiche lag doch auf meinem Land.«
    Erichs Hund – ein kniehohes Tier mit schwarz-weiß geschecktem struppigem Fell – kam quer über den Hof zu ihnen. Ute streichelte ihm den Kopf, der Hund wedelte mit dem Schwanz und japste freundlich. »Machst du dir deshalb keine Sorgen?«
    »Sie haben keine Beweise«, sagte Erich. »Außerdem hab ich inzwischen ein paar Jahre zu viel auf dem Buckel, um noch als Frauenmörder durchzugehen, oder?«
    »Trotzdem«, erwiderte Ute. »Wir können sie nicht hierlassen. Das weißt du auch.«
    Der Jähzorn, für den Erich im ganzen Dorf berüchtigt war, entlud sich plötzlich: »Sie bleibt hier«, brüllte er und warf dabei seine brennende Kippe wie einen Dartpfeil nach dem Hund. »Sie bleibt hier.«
    Der Hund jaulte auf, schnappte instinktiv nach der Stelle an seinem Vorderlauf, wo ihn die Glut getroffen hatte, und raste dann mit eingekniffenem Schwanz hinter

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