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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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nicht?« In Jule regte sich ein leiser Beschützerinstinkt. »Glauben Sie, er hat das Feld mit Absicht angezündet?«
    »Natürlich«, sagte Eva ohne Zögern. »Das war die Rache dafür, dass ihm Otto Porth zwei Tage vorher verboten hatte, auf seinem Mähdrescher rumzuklettern. Wir können froh sein, dass wir so eine gute freiwillige Feuerwehr im Dorf haben.«
    »Hat er seitdem noch mal was angezündet?«
    »Nein.« Eva schüttelte den Kopf. »Aber den Zigarettenautomaten vorm Gasthof hat er letztes Jahr aufgebrochen. Und kurz nach Weihnachten hat ihn Gitte Lührs dabei erwischt, wie er nachts um ihren Wagen rumgeschlichen ist. Er hat gesagt, er hätte ihn sich nur anschauen wollen. Aber wissen Sie, was ich denke?«
    »Was denn?«
    »Ich denke, er wollte ihn knacken, um damit eine kleine Spritztour zu unternehmen. Er ist bestimmt eines von den Bälgern aus der Stadt, über die manchmal im Fernsehen berichtet wird. Die, die Autos stehlen und zu Klump fahren.«
    »Ein Crash-Kid?«, fragte Jule skeptisch.
    »Ja, genau.« Eva nickte eifrig. »So einer ist das. Ich sage doch, dass dem die strenge Hand fehlt. Vierzehn Jahre alt und schon unrettbar auf der schiefen Bahn.« Sie beugte sich vor und tätschelte Jule vertraulich das Knie. »Das war wahrscheinlich nicht mal sein Rad, auf dem er da durchs Dorf gebraust ist. Sie brauchen sich also keine Gedanken zu machen, dass seine Mutter bei Ihnen auftaucht, um irgendeinen Schadensersatz von Ihnen zu verlangen. Die tut gut daran, einfach den Mund zu halten. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass ich ihr noch sage, wie ihr feiner Herr Sohn sich mir und Ihnen gegenüber aufgeführt hat.« Sie wandte sich wieder ihrer Stickerei zu. »Da können Sie sich hundertprozentig drauf verlassen, dass die was von mir zu hören kriegt.«
    Jule fiel nur ein schwaches Gegenargument ein. »Ich hätte aber auch ein bisschen besser aufpassen können. Wenn ich früher gebremst hätte, wäre er wahrscheinlich nicht mal vom Rad gefallen. Ich muss gestehen, dass ich noch ziemlich abgelenkt von meinem Besuch bei Erich Fehrs gewesen bin.«
    Evas Nadel verharrte über dem Puppenkleid. »Sie sind ganz allein zu Erich Fehrs gefahren?«, fragte Eva verstört. »Nach allem, was ich Ihnen über ihn erzählt habe?«
    Jule wich Evas fassungslosem Blick aus und rührte rasch ihren Tee um. »Ich musste an meine Arbeit denken. Und, ja, Sie hatten recht: Er ist ein unangenehmer Zeitgenosse.« Jule dachte an das Loch, das Fehrs in seinem Garten ausgehoben hatte, und spürte, wie es in ihrem Magen grummelte. »Der Hund, den Sie erwähnt hatten … Er hat ihn gerade vergraben, als ich bei ihm ankam. Er sagte, er sei zu bissig gewesen.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.« Eva klang besorgt und zugleich vorwurfsvoll. »Er hat das arme Vieh umgebracht, weil er seinen Jähzorn nicht im Griff hat. Margarete hat ihn doch nicht umsonst sitzen lassen. Wer weiß, was er ihr alles angetan hat, wenn er mal wieder durchgedreht ist.«
    »Für mich sah es eher so aus, als ob er sie geradezu krankhaft geliebt hätte«, wandte Jule ein. »Ich habe selbst erlebt, wie schnell seine Stimmung umschlagen kann, aber ich denke, dass er das, was zwischen ihm und ihr vorgefallen sein mag, wirklich bereut.«
    Evas Gesicht wurde sehr ernst. »Sicher tut er das. Aber verwechseln Sie da nicht gerade etwas? Seine späte Reue hat nichts mit Liebe zu tun. Es ärgert ihn wahrscheinlich nur, dass er sie dort, wo sie jetzt ist, nicht mehr herumkommandieren kann. Das Einzige, was er aufrichtig bereut, ist wohl, dass er sie nicht bei lebendigem Leibe an eine Wand gekettet hat.« Sie warf einen Blick über die Schulter, als wollte sie sich vergewissern, dass sie außer Jule keine weiteren Zuhörer hatte. »Erich Fehrs war und ist ein Eigenbrötler. Er gehört nicht wirklich zu uns, und es gibt kaum jemanden, der etwas mit ihm zu tun haben will. Er hat einmal zu oft über die Stränge geschlagen, und dafür zahlt er eben den Preis.«
    »Warum bleibt er dann hier?«, fragte Jule.
    Eva schaute sie verständnislos an. »Wo sollte er denn hingehen? Hier hat er seinen Hof, seine Schweine, sein Land.«
    »Ich würde nirgendwo bleiben, wo mich keiner haben will«, sagte Jule. »Andere Leute sind doch auch von hier weggegangen. Seine Frau zum Beispiel.« Sie stockte. Sollte sie bei Eva wegen Andreas’ merkwürdigen Warnungen zum hohen Anpassungsdruck in Odisworth nachhorchen? Warum nicht. »Andreas hat mir von einem früheren Freund aus Odisworth

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