Der Windsänger
schockiert.
»Sie hat einen Anfall«, stellten sie fest. »Sie hat den Verstand verloren.«
»Holt sie herunter! Ruft die Konstabler!«
»Ich werde nicht härter ar-bei-ten!«, rief Kestrel. »Ich werde mir keine hö-he-ren Ziele setzen! Ich will morgen nicht besser sein als heute!«
Angezogen von dem Lärm strömten immer mehr Leute herbei. Eine lange Schlange von Schulkindern aus dem Kastanienbraunen Bezirk, die die Halle des Erfolgs besucht hatten, tauchte zwischen den Säulen auf, um Kestrel zuzuhören.
»Ich lie-iebe meinen Kaiser nicht!«, schrie Kestrel aus Leibeskräften. »Es gibt keine Herr-lich-keit in A-ra-manth¬anth-anth!«
Die Kinder erschraken. Ihre Lehrerin brachte vor Entsetzen keinen Ton heraus. Eine Gruppe grau gekleideter Konstabler rannte mit erhobenen Schlagstöcken die Stufen hinunter.
»Holen Sie sie herunter!«, brüllte ihnen der scharlachrot gekleidete Beamte zu.
Die Konstabler umzingelten den Windsänger und ihr Hauptmann rief zu Kestrel hinauf: »Du bist umstellt! Du kommst hier nicht weg!«
»Ich will hier ja gar nicht weg«, entgegnete Kestrel. Sie hielt den Kopf wieder in die Lederschaufel und schrie: »ZUM PONGO-GO MIT ALLEN PRÜ-Ü-FUN-GEN!«
Die Kinder aus dem Kastanienbraunen Bezirk fingen an zu kichern.
»Was für ein ungezogenes Kind!«, rief ihre Lehrerin und trieb ihre Klasse zur Halle des Erfolgs zurück. »Kommt, Kinder. Hört nicht auf sie. Sie ist verrückt.«
»Komm herunter!«, donnerte der Hauptmann. »Komm sofort herunter oder es wird dir noch Leid tun!«
»Es tut mir schon Leid!«, rief Kestrel zurück. »Ich tu mir Leid, Sie tun mir Leid und das ganze jämmerliche Aramanth tut mir Leid!« Sie steckte den Kopf in die Schaufel und brüllte durch die große Arena: »ICH WERDE NICHT HÄRTER AR¬AR-BEI-TEN! ICH WERDE MIR KEINE HÖ-HÖ-HE-REN ZIELE SET-ZEN! ICH WILL MORGEN NICHT BES-SER SEIN ALS HEU-EU-TE!«
Bowman gab es auf, seine Schwester beruhigen zu wollen. Er kannte sie gut genug. Wenn sie in Wut geriet, konnte man nicht vernünftig mit ihr reden, bevor ihr Zorn verraucht war. Die Lehrerin hatte Recht: Kestrel war tatsächlich verrückt. Sie war von einer wunderbaren, befreienden Verrücktheit durchdrungen, während sie an der Spitze des Windsängers hin- und herschwang und all den schrecklichen unerlaubten Gedanken Luft machte, die sie so lange hatte für sich behalten müssen. Sie wusste genau, sie war zu weit gegangen, sie hatte so viele Regeln gebrochen und so schlimme Dinge gesagt, dass sie die schwerste Strafe zu erwarten hatte. Und da nichts mehr rückgängig zu machen war, konnte sie sich nun alles erlauben.
»Zum Pongo mit dem Kaiser!«, rief sie. »Wo ist er überhaupt? Ich hab ihn noch nie gesehen! Es gibt gar keinen Kaiser!«
Die Konstabler erklommen den Windsänger, um sie mit Gewalt herunterzuholen. Bowman, der Angst hatte, sie würden ihr wehtun, schlich sich davon, um seinen Vater zu holen. Er arbeitete in einer Nebenstelle der Bücherei im Orangefarbenen Bezirk. Bowman verließ die Arena auf der einen Seite, während der Oberste Prüfer persönlich auf der anderen Seite eintrat und in eisigem Schweigen auf die chaotische Szene hinabschaute.
»ZUM POMPAPRUHN MIT DEM KA-A-AISER!«, schallte es aus dem Windsänger.
Maslo Inch holte tief Luft und schritt entschlossen die Stufen zum Rund hinab. Auf dem fünften Rang spürte er, wie eine kleine Hand nach dem Saum seines makellosen weißen Talars griff.
»Bitte, Sir«, sagte jemand mit schwacher Stimme. »Haben Sie etwas zu essen?«
Der Oberste Prüfer schaute hinunter und sah Mumpo – mit laufender Nase, verschmiertem Gesicht und feuchten Augen, die ihn dümmlich anstarrten. Wütend riss er seinen Talar an sich. »Fass mich bloß nicht an, du verdreckter kleiner Bengel!«, zischte er.
Mumpo war es gewöhnt, abgewimmelt oder ausgelacht zu werden. Doch der kalte Hass in der Stimme des Obersten Prüfers überraschte ihn. »Ich wollte doch nur…«
Maslo Inch interessierte sich nicht dafür, was Mumpo wollte. Er schritt weiter Richtung Bühne.
Sein Erscheinen löste unter den Beamten und Konstablern Panik aus.
»Wir haben ihr befohlen herunterzukommen – wir tun, was wir können – sie muss betrunken sein – haben Sie sie gehört?
– sie will einfach nicht gehorchen…«
»Schweigt!«, gebot der Oberste Prüfer. »Das schmutzige Kind dahinten wird entfernt und gewaschen.« Er zeigte über seine Schulter auf Mumpo.
Einer der
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