Der Windsänger
Konstabler eilte die Stufen hinauf und packte Mumpo am Handgelenk. Mumpo folgte ihm widerstrebend und drehte sich mehrmals zu Kestrel hoch oben im Windsänger um. Er beschwerte sich nicht, denn er war es gewohnt, von Leuten, die was zu sagen hatten, hierhin und dorthin gezerrt zu werden. Der Konstabler führte ihn zum Springbrunnen am Standbild von Creoth dem Ersten und hielt seinen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Mumpo schrie und wehrte sich heftig.
»Pass bloß auf«, warnte ihn der Konstabler ärgerlich, weil er nass gespritzt wurde. »So jemanden wie dich können wir in Aramanth nicht gebrauchen.« Er ließ Mumpo los und wusch sich die Hände im Springbrunnen.
»Ich will ja gar nicht in Aramanth sein«, entgegnete Mumpo zitternd. »Aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.«
In der Arena beobachtete Maslo Inch die Anstrengungen der Konstabler, die auf dem Windsänger herumkletterten und versuchten das leichtere und behändere Kind zu erwischen. »Runterkommen!«, befahl er.
»Sie schnappen sie schon noch«, sagte der Hauptmann.
»Ich sagte, runter kommen.«
»Jawohl, Sir.«
Die Konstabler kletterten keuchend und rot im Gesicht vom Turm.
Maslo Inch wandte sich mit festem, verächtlichen Blick an die versammelte Menschenmenge. »Muss hier denn niemand arbeiten heute Nachmittag?«
»Wir konnten doch nicht zulassen, dass sie diese schlimmen Dinge sagt…«
»Sie sind ihr Publikum. Verschwinden Sie, dann wird sie schon aufhören. Hauptmann, räumen Sie die Arena.«
Also zogen sich die Beamten und die Konstabler aus der Arena zurück, schauten sich dabei jedoch immer wieder um, weil sie wissen wollten, was der Oberste Prüfer nun vorhatte.
Kestrel hörte nicht auf. Sie erfand eine Art Lied aus allen ihr bekannten Schimpfwörtern und ließ es durch den Windsänger schallen. »Pocksicker, Pocksicker Pompapruhn Bangabangaplopp! Sagahock Sagahock, Pompapruhn…«
Maslo Inch starrte eine Weile zu ihr hinauf, als wollte er sich mit ihrem Gesicht vertraut machen. Er sagte nichts mehr. Das Mädchen hatte alles verspottet und beleidigt, was Aramanth in höchsten Ehren hielt. Natürlich würde sie bestraft werden. Doch in diesem Fall war es mit Bestrafung nicht getan. Ihr Wille musste gebrochen werden. Maslo Inch war kein Mensch, der vor schwierigen Entscheidungen zurückschreckte. Mochte sie auch jung sein – es musste getan werden, und zwar ein für alle Mal. Er nickte einmal kurz mit dem Kopf, drehte sich um und schritt gelassen davon.
4 Proben für Kastanienbraun
Als Bowman mit seinem Vater kam, war die Arena leer und der Windsänger still. Die Konstabler, die das Amphitheater umstellt hatten, wollten die beiden nicht hineinlassen. Hanno Hath teilte ihnen mit, er sei der Vater des aufsässigen Kindes und wolle es nach Hause bringen. Die Konstabler holten ihren Hauptmann und dieser ließ sich Anweisungen aus dem Prüfungsinstitut holen. Von dort erhielt er den simplen Befehl: »Schicken Sie sie nach Hause. Wir werden uns später mit ihr befassen.«
Als Vater und Sohn die Stufen der Arena hinabstiegen, fragte Bowman leise: »Was werden sie mit ihr machen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Hanno.
»Sie haben gesagt, sie würden uns Punkte von der Familiennote abziehen.«
»Ja, das tun sie sicher.«
»Sie hat gesagt ›Zum Pompapruhn mit dem Kaiser‹. Und es gebe gar keinen Kaiser.«
»Wirklich?«, sagte sein Vater und lächelte in sich hinein.
»Gibt es einen Kaiser, Papa?«
»Wer weiß? Ich hab ihn noch nie gesehen. Und ich kenne auch niemanden, der ihn gesehen hat. Vielleicht ist er bloß eine von diesen nützlichen Ideen.«
»Wirst du mit Kess schimpfen?«
»Nein, natürlich nicht. Aber es wäre besser gewesen, wenn sie es nicht getan hätte.«
Sie kamen zum Windsänger und sahen Kestrel zwischen den Lederkellen kauern.
»Kestrel! Komm jetzt runter, mein Mädchen«, rief ihr Vater ihr zu.
Kestrel blickte über den Rand des Windsängers und sah ihren Vater unten stehen. »Bist du böse auf mich?«, fragte sie kleinlaut.
»Nein«, antwortete er sanft. »Ich hab dich lieb.«
Also kletterte Kestrel hinunter. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, verließ sie plötzlich der Mut und sie fing an zu zittern und zu weinen. Hanno Hath nahm sie fest in die Arme und setzte sich mit ihr auf die unterste Stufe der Arena, damit sie all ihre Tränen der Wut und Erniedrigung ausweinen konnte.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte er
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