Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
abgegriffen. Maria legt die Fernbedienung zur Seite, sie verschränkt die Arme, sie sieht das Paar im Fernsehen, sie hofft, dass das Lied nicht zu Ende geht. Sie sieht den Sänger lachen, als die Sängerin von der Liebe singt. Ein Lausbub, denkt Maria, wie Walter, die Augen. Wir könnten auf der Bühne stehen. Ich würde singen, du würdest Gitarre spielen, und würdest du singen, würde ich tanzen. Du hättest ein Sakko, eines, in dem deine Schultern breit aussehen, eines von denen, die wir mit der neuen Lieferung bekommen haben. Du hättest deine Gitarre über der Schulter hängen, du würdest deine Haare zerzaust tragen. Du wärst so wild, dass sich die Frauen vor ihren Fernsehgeräten in dich verlieben würden. Unsere Namen würden zu Beginn des Liedes eingeblendet werden, Maria und Walter Beerenberger. Ich würde von der Liebe singen, und du, du würdest von der Liebe spielen. Du würdest nicht lachen, wenn ich von der Liebe singe, du würdest dich mit deiner Gitarre zu mir drehen, mir mit deinen Augen Herzen schicken. Und würde ich von der Liebe singen, ich würde meine Hand auf meine Brust legen, dorthin, wo ich das Herz vermute, ich bin mir nicht sicher, ob es links ist oder rechts, dort, wo es schlägt, wird es sein. Ich möchte mein Herz nicht schlagen hören, davon würde ich nicht singen. Ich würde von der Liebe singen. Ich würde einen kurzen Rock tragen, und wenn wir die Bühne verlassen, würdest du mir zuflüstern, keine ist so schön wie du. Aber unsere Mikrofone wären noch an, und alle Menschen im Saal würden hören, dass ich für dich die Schönste bin, ein entzückendes Paar, würden sie sagen, ein entzückendes Paar.
11 Der Heilige Abend
Hast du an Lametta gedacht, meine Mutter schmückt den Baum immer mit Lametta, zuerst musst du die Kugeln aufhängen, dann die Kerzen anbringen, und am Schluss das Lametta, Lametta sind die Tränen Jesu, sagt Mutti. Walter, du bist erwachsen, sagt Maria und stellt den Karton mit der Weihnachtsdekoration auf den Tisch. Kannst du den Baum noch gerade richten, warte, ich lege ein Tischtuch unter. Es sieht nicht schön aus, sagt Walter, unser Baum zu Hause ist weit größer, größer und schöner geschmückt. Der Baum ist noch nicht geschmückt, sagt Maria und nimmt eine Kugel aus dem Karton. Sieh dir an, was du gekauft hast, das kann nicht schön werden, sagt Walter, solche Kugeln haben wir zu Hause nicht. Walter, du bist sechsunddreißig, sagt Maria, wir sind seit sechs Jahren verheiratet, da kann man Weihnachten ohne seine Eltern feiern. Walter schweigt, er schaltet das Radio ein, Maria hängt die erste Kugel an den Baum. Im Radio erzählt der Moderator davon, wie Weihnachten früher gewesen ist, als Kinderaugen noch leuchteten, als alle weniger hatten, aber umso glücklicher waren. Hörst du, sagt Walter, wir brauchen keinen glitzernden Weihnachtsschmuck, der Mann hat Recht. Walter, sagt Maria, kannst du bitte den anderen Karton aus der Küche bringen, dort sind die Kerzen. Gleich, sagt Walter, ich stehe gleich auf. Maria sieht Walter an, wie er auf dem Sofa liegt, sie sieht seinen Bauch unter dem Pullover. Der Pullover ist zu kurz oder der Bauch zu groß, denkt sie und hängt die zweite Kugel auf.
Bevor es dunkel wird, holt Walter die Gitarre aus dem Schlafzimmer, er bewahrt sie im Kasten auf. Die Gitarre ist verstimmt, Walter spielt selten, er streicht über die Saiten, bevor er beginnt, sie zu stimmen. Du solltest wieder öfter spielen, sagt Maria, als sie an ihm vorübergeht, einen Ohrring durch ihr Ohrloch steckt. Wie meinst du das, fragt Walter. Ich meine, du solltest wieder öfter Gitarre spielen, sagt Maria, mehr nicht. Während Walter die Gitarre stimmt, beugt er sich über sie und hält den Kopf schief, er sagt: Wir müssen uns beeilen, zu Hause haben wir um diese Uhrzeit schon Bescherung, und Mutti hat gesagt, sie ruft nach der Bescherung an. Hast du ihr Geschenk schon verpackt, wir müssen morgen früh los, ich möchte noch in den Wald, zu den Nachbarn, in die Messe. Mutti freut sich bestimmt, wenn du ihr in der Küche hilfst, Weihnachten ist viel Arbeit. Die Gans muss lange braten, aber die Gans macht nicht die meiste Arbeit, die meiste Arbeit machen die Kinder, sagt Mutti. Walter lächelt. Er streicht noch einmal über die Gitarre. Wollen wir, fragt er, aber vielmehr sagt er es. Warte noch einen Moment, antwortet Maria, ich zieh mich schnell um.
Der Christbaum steht auf einem kleinen Tisch, dort wo ansonsten der Philodendron steht. Walter
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