Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
hat den Philodendron am Morgen in die Küche getragen, Maria hat gesagt: Hoffentlich überlebt er das. Die Tür zur Küche schließt Walter, bevor er das Wohnzimmer betritt. Maria hat die Kerzen angezündet, sie steht vor dem Baum, in einem schwarzen Kleid, sie faltet die Hände, sie fragt: Wo sollen wir stehen. Walter spielt die ersten Akkorde, die erste Strophe spielt er ohne Gesang, das haben Maria und Walter zuvor vereinbart. Sing nicht so hoch, sagt Walter, als Maria einsetzt, als Maria denkt: Eine schöne Stimme habe ich. Walter hat sich nicht umgezogen.
Schlaf in himmlischer Ruh, schlaf in himmlischer Ruh
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Danke, sagt Maria, nachdem sie Walters Geschenk geöffnet hat, vielen Dank. Gefällt es dir, fragt er. Ja, sagt sie, aber was ist das. Ein Motorradanzug, sagt Walter, aus Leder, schwarzes Leder mit violetten Querstreifen, das siehst du doch, probier ihn an. Aber warum, fragt Maria, Walter sagt: Komm, probier ihn an. Essen wir zuerst, sagt Maria, sonst wird es kalt, und geht in die Küche. Walter bläst einstweilen die Kerzen aus.
Ja, Mutti, wir haben es schön, sagt Walter ins Telefon. Er wickelt dabei das Telefonkabel um seinen Finger. Maria hat gekocht, ja, sie hat sich Mühe gegeben, wir haben gesungen und ein Vater-Unser für die Verstorbenen gebetet, ja, es ist traurig, dass Onkel Hans nicht mehr ist. Und jetzt, jetzt werden wir es uns gemütlich machen, wir werden Kekse essen, Wein trinken, nein, keinesfalls zu viel, wir wollen morgen früh los. In der Mette waren wir schon, in der Nachmittagsmette, es war sehr schön, und ich gehe lieber am Nachmittag in die Kirche, man ist dann nicht so müde und versteht die Predigt besser. Ich freu mich auf morgen, habt einen schönen Abend und grüß alle lieb von mir. Walter, du hast deine Mutter angelogen, sagt Maria, nachdem Walter aufgelegt hat. Sie lehnt an der Wand, hält ein Glas Rotwein in der Hand. Wir waren nicht in der Mette. Ich weiß, sagt Walter, aber sie muss nicht alles wissen, und du wirst morgen erzählen, dass dich die Predigt berührt hat, dass du jetzt wieder öfter in die Kirche gehen möchtest. Nein, sagt Maria, das mache ich nicht, ich lüge niemanden an. Ich lüge nicht, sagt Walter. Was dann, fragt Maria. Komm, lass uns essen, das Essen ist bestimmt schon kalt.
Schmeckt es dir, fragt Maria. Ja, sagt Walter. Aber wenn man sein Leben lang am Heiligen Abend Bratwürste gegessen hat, und dann gibt es Karpfen. Walter, du redest wie ein alter Mann. Aber wenn es so ist, sagt Walter und schneidet den Fisch in Stücke. Maria denkt: Ich bin früh aufgestanden, ich habe dem Mann am Markt zugesehen, wie er den Fisch aus einem Bottich geholt und mit einem Holzstück erschlagen hat, ich habe dem Mann zugesehen, wie er den Fisch in Stücke gehackt hat, und die zappelnden Stücke nach Hause getragen. Maria sagt: Man muss auch mal etwas Neues versuchen. Das stimmt, sagt Walter, freust du dich über mein Geschenk. Walter, du hast da etwas, sagt Maria und greift an seinen Pullover. Danke, Mutti, sagt Walter und wischt sich den Mund mit einer Weihnachtsserviette. Möchtest du jetzt deinen Motorradanzug probieren, er passt dir bestimmt, der Verkäufer hat gemeint, das ist etwas für Frauen wie dich. Der Verkäufer kennt mich nicht, sagt Maria. Doch, sagt Walter, ich habe ihm zwei Fotos von dir gezeigt. Eines, auf dem du lachst, ein zweites, wo du am Badestrand liegst. Du hast ihm das Foto vom See gezeigt, fragt Maria. Ja, das habe ich, sagt Walter und steht auf, nimmt den Motorradanzug vom Boden, legt ihn über die Sessellehne. Wir werden ans Meer fahren, sagt Walter, da braucht man eine gute Ausrüstung. Wir waren noch nie am Meer, sagt Maria, ist das mit dem Motorrad nicht viel zu weit, wo willst du das Gepäck unterbringen. Probier ihn an, sagt Walter, oder freust du dich nicht. Er schaut Maria lange an, und Maria weicht seinem Blick aus, sie streicht mit der Hand über das Leder. Ein schönes Material, sagt sie und holt einen Kleiderbügel aus dem Vorzimmer. Maria hängt den Anzug an die Tür, sie sagt: Ich möchte ihn vorher ein wenig ansehen, siehst du, so kommen die Streifen weit mehr zur Geltung, hast du die Farbe ausgesucht. Walter steht einen Meter hinter Maria, er hält eine Bierflasche in der Hand, er sagt: Zieh ihn an. Maria möchte sagen: Aber nur, wenn du dein Elvis-Kostüm anziehst. Aber Walter lacht nicht, und Maria geht zum Fenster, macht die Vorhänge zu.
10 Der gefallene König
Wenn Walter sich in Elvis verwandelt, duscht er lange,
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