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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Weidenholzer
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Küche.
    Schnaps kauft Isolde von einer kleinen Frau am Markt, die größer wäre, wenn sie aufrecht stünde. Allerdings, sagte Isolde, als sie zum ersten Mal von der Marktfrau erzählte, allerdings hat sie weniger weit, wenn sie nach den Flaschen greift. Als Maria zu Isoldes Geburtstag am Markt ein Geschenk kaufen wollte, staunte sie über die Frau, weil sie gedacht hatte, es wäre eine kleine Frau. Das ist keine kleine Frau, das ist eine sehr kleine Frau, wollte Maria am nächsten Tag zu Isolde sagen, aber sie hielt sich zurück, weil sie nichts verraten wollte. Isolde wurde fünfzig, und die Kolleginnen schenkten ihr fünf Schnapsflaschen, eine für jedes Jahrzehnt. Auch Herr Willert zahlte mit, aber er sagte: Schenkt man Frauen nicht besser Blumen, und kaufte einen Strauß Rosen, fünfzig Rosen, eine für jedes Jahr. Die Schnapsfrau bindet ihr Kopftuch unter dem Kinn zu einem Knoten, hellere Blumen sind darauf als auf ihrem Kittel, ihre Hände sind schmutzig, sie verkauft Schnaps und zwei Sorten Äpfel.
Berner Rose
und
London Pepping
steht in roter Schrift auf den Schildern vor den Obstkisten, auf dem einen wurde mit schwarzer Farbe ein Buchstabe nachgetragen. Sie haben schöne Äpfel, sagt Maria seither jedes Mal, wenn sie am Markt vorbeikommt, und die Frau antwortet: Prima Äpfel, das sind Äpfel, die können Sie lange lagern. Mein Sohn sagt: Wenn du stirbst, fälle ich deine Bäume, sobald du tot umfällst, schneide ich sie alle um. Darf es ein Kilo sein, Berner oder Pepping.
    Maria schiebt den Teller zur Seite, nachdem sie zwei Brote gegessen hat. Möchtest du nichts mehr, fragt Isolde, warte, ich habe etwas vergessen, sagt sie und steht auf. Sie kommt mit einer Schachtel zurück, in der sie Servietten von Gasthausbesuchen sammelt. Sucht euch eine aus, sagt sie, aber nicht die dicken, die verwenden wir nur zu Weihnachten. Maria entscheidet sich für eine Serviette mit dem Aufdruck
Guten Appetit
, Walter für eine rote mit blauen Verzierungen. In dem Moment, als Isolde ihr Wein nachschenkt, weiß Maria, dass sie auch an diesem Sonntagnachmittag die Kontrolle verlieren wird. Danke, sagt sie und trinkt. Was gibt es Neues, fragt Isolde. Die Neuen sind kein Ersatz, sagt Maria, aber es war auch nicht zu erwarten, dass zwei junge Mädchen dich ersetzen können. Und Franz, fragt Isolde. Herr Willert schlägt oft die Hände über dem Kopf zusammen, er sagt: Musste es so kommen. Er hat ein Auto und eine neue Kaffeemaschine gekauft. Ein Auto, fragt Isolde, er hat doch keinen Führerschein. Das haben wir auch gesagt, erzählt Maria. Und, fragt Isolde. Er hat nichts dazu gesagt, der Autoschlüssel liegt auf seinem Bürotisch. Er hat schon wieder vergessen, das Usambaraveilchen zu gießen. Zwei linke Hände und kein grüner Daumen, sagt Isolde, und Maria dreht ihr Glas in der Hand. Bist du nervös, fragt Walter. Nein, ich spiele nur.
    Habt ihr sie schon gesehen, fragt Isolde nach dem dritten Glas Wein. Wen, fragt Maria. Die neuen Nachbarn, sagt Isolde. Ja, antwortet Maria und schweigt. Isolde schüttelt den Kopf, Walter isst eine Salzstange. Wie ein Hase, denkt Maria und möchte zu ihm hinübergreifen, sagen: Bitte beiß größere Stücke ab, es ist genug für alle da. Isolde sagt, es ist fürchterlich. Das Licht brennt noch nach Mitternacht und ist so hell, dass es durch meine Vorhänge kommt. Ich muss deshalb auf der linken Seite schlafen, und das ist schlecht für das Herz. Die neuen Nachbarn werden mich ins Grab bringen, sagt Isolde und geht ins Schlafzimmer, von wo sie mit einer Schachtel Pralinen zurückkommt. Die Pralinen bewahrt sie neben dem Bett auf, dort ist Platz genug. Walter sagt: Bitte nicht. Doch, sagt Isolde, das muss sein, und schüttet die Pralinen in eine Kristallschüssel. Die neuen Nachbarn sind fürchterlich, sie werden mich in meinem ersten Pensionsjahr ins Grab bringen, sagt Isolde und wickelt eine Praline aus dem Goldpapier. Ich wollte noch reisen, der Pensionistenverband hat gute Angebote. Ich wollte mit Frau Rosenauer ein Zimmer teilen, Frau Rosenauer vom Haus an der Ecke, Maria, du kennst sie. Sie hat oft bei uns eingekauft, früher nur geblümte Stoffe, später auch Leopardenmuster. Führen wir die Leopardenblusen noch, fragt Isolde, und Maria nickt. Das sind schöne Blusen, ich hoffe, er lässt sie lange im Sortiment. Ich wollte nach Tunesien, Italien, an den Wörthersee, am Wörthersee, heißt es, sind die Zimmer besonders schön. Ich wollte an den Donnerstagen ins Hallenbad und meine

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