Der Winterschmied
Auskunft gab. Plötzlich drehte sich das Lineal, die Halsbonbons explodierten in einer kleinen roten Staubwolke, der Bleistift sauste fort und bohrte sich in Fräulein Ticks Hut, und Raureif bedeckte das Lineal.
Das war kein gutes Zeichen.
Fräulein Verrat saß unten in ihrem Häuschen und beobachtete, wie Tiffany in dem niedrigen Schlafzimmer über ihr schlief. Dazu benutzte sie die Augen einer Maus, die auf dem angelaufenen Messing des Bettgestells saß. Hinter den grauen Fenstern (seit dreiundfünfzig Jahren putzte Fräulein Verrat sie nicht mehr, und Tiffany hatte vergeblich versucht, all den Schmutz zu entfernen) heulte der Wind zwischen den Bäumen, obwohl es erst Nachmittag war.
Er sucht nach ihr, dachte sie, während sie eine Maus auf ihrem Schoß mit uraltem Käse fütterte. Aber er wird sie nicht finden. Hier ist sie sicher.
Dann sah die Maus vom Käse auf. Sie hatte etwas gehört.
»Ich hab's ja gesagt! Sie is' hier irgendwo, Jungs!«
»Ich verstehe nich', wieso wir nich' mit der alten Hexe reden können. Wir kommen doch mit Hexen gut klar.« »Vielleicht, aber diese is' schrrrrecklich. Angeblich hat sie einen furchtbaren Dämon in ihrem Kartoffelkeller.« Fräulein Verrat runzelte verwundert die Stirn. »Was machen die denn hier?«, flüsterte sie. Die Stimmen drangen von unten durch den Fußboden. Auf ihr Geheiß lief die Maus über die Dielen und verschwand durch ein Loch. »Ich möchte dich ja nich' enttäuschen, aber wir sin' hier im Keller, und es liegen nur Kartoffeln herum.«
Nach einer Weile fragte jemand: »Wo isser denn nun?«
»Vielleicht is' heute sein freier Tag.«
»Wozu braucht ein Dämon einen freien Tag?«
»Vielleicht um seine alten Eltern zu besuchen?«
»Ach? Dämone ham Eltern, wie?«
»Potzblitz! Hört endlich auf! Sie könnte uns hören!«
»Nee, sie's blind wie eine Fledermaus und taub wie eine Nuss, heißt es.«
Mäuse haben ein sehr gutes Gehör. Fräulein Verrat lächelte, als das flinke Tierchen dicht über dem Kellerboden aus der alten Steinwand huschte.
Sie sah mit seinen Augen. Mäuse sehen auch im Dunkeln sehr gut.
Ein paar kleine Männer schlichen über den Boden. Ihre Haut war blau und voller Tätowierungen und Schmutz. Sie alle trugen schmuddelige Kilts, und jeder von ihnen hatte sich ein Schwert auf den Rücken geschnallt, so lang wie er selbst. Und sie alle hatten rotes Haar, ein richtiges Orangerot, und verfilzte Zöpfe. Einer von ihnen trug einen Kaninchenschädel als Helm. Vermutlich hätte er furchterregender gewirkt, wenn er ihm nicht dauernd über die Augen gerutscht wäre.
Im Zimmer darüber musste Fräulein Verrat wieder lächeln. Sie hatten von ihr gehört, wie? Aber bestimmt nicht genug.
Als sich die vier kleinen Männer durch ein altes Rattenloch zwängten, um den Keller zu verlassen, wurden sie von zwei weiteren Mäusen, drei unterschiedlichen Käfern und einer Motte beobachtet. Auf Zehenspitzen gingen sie über den Boden an einer alten Hexe vorbei, die ganz offensichtlich schlief - bis sie plötzlich auf die Armlehnen ihres Stuhls schlug und rief:
»Potzblitz! Ich sehe euch, ihr kleinen Halunken!«
Die Größten gerieten in Panik und prallten vor Schreck und Verblüffung gegeneinander.
»Ich kann mich nich' daran erinnern, euch gesacht zu haben, dass ihr euch bewegen sollt!«, donnerte Fräulein Verrat mit dem Akzent der Größten und einem grausigen Grinsen im Gesicht.
»Oh, schlimm, schlimm, schlimm!«, schluchzte jemand. »Sie spricht wie wir!«
»Ihr seid Kleine Freie Männer, nich' wahr? Aber die Zeichen eurer Clans kenne ich nich'. Beruhigt euch, ich hab nich' vor, euch das Fell über die Ohren zu ziehen. Du! Wie heißt du?«
»Ich bin Rob Irgendwer, der Große Mann des Kreidehügel-Clans«, sagte der kleine Mann mit dem Kaninchenschädelhelm. »Und...«
»Ach? Bist der Große Mann, wie? Dann wirst du so nett sein und den Knochenhelm abnehmen, wenn du mit mir redest!«, sagte Fräulein Verrat, die sich prächtig amüsierte. »Un' steht gerade! In diesem Haus dulde ich kein Herumgeschlunze!«
Sofort nahmen die vier Größten Haltung an.
»Schon besser!«, sagte Fräulein Verrat. »Und wer sin' die anderen?«
»Dies is' mein Bruder Doofer Wullie, Frau Hexe«, sagte Rob Irgendwer und schüttelte die Schulter des Größten, für den so viel schlimm war und der entsetzt Enochi und Athootita anstarrte.
»Und die anderen beiden?«, sagte Fräulein Verrat. »Ich meine euch beide. Du mit der Mäusedudel. Bist ein Dudler,
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