Der Wissenschaftswahn
dogmatisch und dafür wissenschaftlicher. Die Naturwissenschaften werden, davon bin ich überzeugt, wie neugeboren sein, wenn sie sich von ihren einengenden Dogmen freimachen.
Das naturwissenschaftliche Glaubensbekenntnis
Hier nun die zehn zentralen Glaubenssätze, die sich die meisten Wissenschaftler ungeprüft zu eigen machen:
Alles ist mechanischer Natur. Hunde zum Beispiel sind nicht etwa lebende Organismen mit ihren ganz eigenen Zielsetzungen, sondern komplexe Mechanismen. Auch Menschen sind Maschinen, in Richard Dawkins’ lebendiger Ausdrucksweise sogar »schwerfällige Roboter«. Ihre Gehirne sind wie genetisch programmierte Computer.
Materie besitzt grundsätzlich kein Bewusstsein. Sie hat keine Innerlichkeit, keine Subjektivität, keine »Ansichten«. Auch menschliches Bewusstsein ist pure Täuschung, vorgespiegelt vom stofflichen Geschehen im Gehirn.
Die Gesamtheit von Materie und Energie ist immer gleich (der Urknall, mit dem alle Materie und Energie urplötzlich erschien, ist die einzige Ausnahme).
Die Naturgesetze stehen ein für alle Mal fest. Sie sind heute so, wie sie von Anfang an waren und für immer sein werden.
Die Natur kennt keine Absichten, Evolution ist ohne Richtung oder Ziel.
Biologische Vererbung ist ausschließlich materieller Natur, vermittelt über das genetische Material, die DNA , und andere materielle Strukturen.
Der Geist, unser Denken und Fühlen, sitzt im Kopf und ist nichts als Gehirnaktivität. Wenn wir einen Baum betrachten, ist das Bild, das wir sehen, nicht da draußen, wo es zu sein scheint, sondern innen, im Gehirn.
Erinnerungen sind als materielle Spuren im Gehirn gespeichert und werden beim Tod gelöscht.
Unerklärliche Phänomene wie Telepathie sind reine Einbildung.
Mechanistische Medizin ist die einzig wirksame Medizin.
Zusammen bilden diese Glaubenssätze die Philosophie oder besser Ideologie des Materialismus, dessen Kerngedanke ja besagt, dass alles seiner Natur nach materieller oder physischer Art ist, auch der Geist. Dieses Glaubenssystem setzte sich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts in der Naturwissenschaft durch und gilt jetzt als gesicherte Erkenntnis. Vielen Wissenschaftlern ist nicht bewusst, dass der Materialismus eine bloße Annahme darstellt – sie setzen ihn mit Naturwissenschaft gleich, mit dem wissenschaftlichen Bild der Realität oder eben dem naturwissenschaftlichen Weltbild. In ihrer Ausbildung taucht dieser Gedanke nicht auf, sie bekommen nie Gelegenheit, auch nur darüber zu sprechen, er geht durch so etwas wie intellektuelle Osmose auf sie über.
Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnen wir mit »Materialismus« ein ganz auf materielle Interessen, Reichtum, Besitz und Luxus ausgerichtetes Leben. Ohne Zweifel wird das von einer materialistischen Philosophie genährt, die ja alle spirituellen Realitäten und nichtmateriellen Zielsetzungen leugnet, aber ich möchte mich in diesem Buch mit den
wissenschaftlichen
Behauptungen des Materialismus und nicht so sehr mit seinen Auswirkungen auf unsere Lebensweise auseinandersetzen.
Jede dieser zehn Doktrinen möchte ich im Sinne einer radikalen Skepsis zu einer Frage umkehren. Ganz neue Horizonte öffnen sich, wenn eine fraglos akzeptierte Annahme nicht mehr als selbstverständliche Wahrheit genommen, sondern zum Ansatz eines forschenden Fragens gemacht wird. So verkehrt sich etwa die Annahme, die Natur sei maschinenähnlich oder mechanisch, in die Frage: »Ist die Natur mechanisch?« Oder die Annahme, Materie habe kein Bewusstsein, wird zu der Frage: »Ist Materie ohne Bewusstsein?« Und so weiter.
Im Prolog betrachte ich die Wechselwirkungen zwischen Naturwissenschaft, Religion und Macht, um dann in den Kapiteln 1 bis 10 diesen zehn Dogmen auf den Grund zu gehen. Am Schluss jedes Kapitels werde ich kurz darstellen, von welcher Tragweite das jeweilige Thema ist und wie es sich auf unser Leben auswirkt. Ich gebe außerdem Anregungen für weitere Fragen, die Sie als Ansatzpunkte nehmen können, wenn Sie diese Themen mit Freunden oder Kollegen erörtern möchten. Am Schluss jedes Kapitels finden Sie eine Zusammenfassung.
Das naturwissenschaftliche Weltbild in der Glaubwürdigkeitskrise
Seit über zweihundert Jahren versprechen die Materialisten, die Wissenschaft werde irgendwann für alles eine physikalische oder chemische Erklärung geben können. Die Wissenschaft werde erweisen, dass Lebewesen komplexe Maschinen sind, dass Geist nichts als Gehirnaktivität ist und die Natur keinen
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