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Der Wissenschaftswahn

Der Wissenschaftswahn

Titel: Der Wissenschaftswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Sheldrake
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nicht
erfunden
.
Penicillium notatum
und andere Organismen produzieren sie für ihren eigenen Bedarf. Antibiotika sind ein Geschenk der Natur.
    Zusammen mit verbesserter Hygiene und Immunisierungskampagnen sorgten die Antibiotika für einen starken Rückgang der Sterblichkeit bei Infektionskrankheiten. Gefürchteten Krankheiten wie Cholera, Typhus, Tuberkulose und Polio fielen nicht mehr wie früher Millionen von Menschen zum Opfer. Diese schier unglaublichen Fortschritte veränderten buchstäblich die Bedingungen menschlichen Lebens.
    In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dehnten die Antibiotika ihr Potenzial noch weiter aus, als sich überraschend herausstellte, dass Magengeschwüre, von denen man immer angenommen hatte, sie seien durch Übersäuerung oder Stress bedingt, in Wirklichkeit von dem bis dahin unbekannten Bakterium
Helicobacter pylori
verursacht werden und mit Antibiotika geheilt werden können. [486]
    Hauptnutznießer der Beherrschung von Infektionskrankheiten durch Impfungen und Antibiotika ist die junge Generation. Die früher als so normal angesehene Säuglings- und Kindersterblichkeit ist sehr weit zurückgegangen. Heute sind Unfälle, erbliche Krankheiten wie Mukoviszidose und allergische Erkrankungen wie Asthma die medizinischen Hauptprobleme junger Menschen. Die großen Herausforderungen der Medizin liegen jetzt bei den Erkrankungen des Alters, darunter Krebs, Kreislaufkrankheiten und chronisch »degenerative« Erkrankungen wie Arthritis und Demenz. Alles in allem sind die Menschen bis über ihr fünfzigstes oder sogar sechzigstes Lebensjahr hinaus erstaunlich gesund, aber es gibt doch etliche ernste Erkrankungen, die uns auch in mittleren Jahren befallen können, etwa Diabetes, rheumatoide Arthritis, multiple Sklerose, Parkinson und Schizophrenie. Die Ursachen der meisten dieser Gebrechen sind noch unbekannt. [487]
    Und die Keime, die Infektionskrankheiten auslösen, entwickeln sich weiter. Neue Krankheiten wie Aids tauchen auf, und die Evolution antibiotikaresistenter Bakterien stellt ein ernstes Problem dar.

Erste Anzeichen des Umdenkens
    Michael Crow, Präsident der Arizona State University und leitender Wissenschaftsadministrator, äußerte 2011 in einem in der Zeitschrift
Nature
veröffentlichten Artikel die Ansicht, das National Institute of Health der Vereinigten Staaten müsse auf eine völlig neue Basis gestellt werden, da es seinen Jahresetat von 30 Milliarden Dollar für die Erforschung der genetischen und molekularen Seite von Krankheit und Gesundheit ausgebe, anstatt das Verhalten der Menschen zu betrachten. Nach seinem Dafürhalten sollte man den »barocken Aufwand« von siebenundzwanzig Instituten und Zentren aufgeben, um sie durch lediglich drei neue Institute zu ersetzen. Eines würde sich den Grundfragen der menschlichen Gesundheit widmen und auch nach gesellschaftlichen Zusammenhängen und Verhaltensaspekten fragen. Ein zweites würde sich der Erforschung der Gesundheitsentwicklung widmen und sich dabei an messbaren Verbesserungen orientieren:

    Es würde sich bei seiner Arbeit auf die Verhaltens-, Wirtschafts-, Technik-, Kommunikations- und Erziehungswissenschaften stützen und auch die biomedizinische Grundlagenforschung berücksichtigen … Wenn es etwa darum geht, den Anteil der Übergewichtigen in der amerikanischen Bevölkerung von derzeit 30 Prozent auf 10 bis 15 Prozent oder weniger zu reduzieren, würden die Projektleiter den Fortschritt an dieser Zielvorgabe messen, anstatt ihn mit irgendeiner wissenschaftlichen Errungenschaft – zum Beispiel der Entdeckung genetischer oder mikrobieller Ursachen der Fettleibigkeit – zu verbinden. [528]

    Das dritte Institut würde für aktive Gesundheitsverbesserung zuständig sein: »Das Institut würde seine Mittel nicht als Gegenleistung für die Produktion immer neuer Kenntnisse erhalten, sondern auf der Basis seines Erfolgs bei der Schaffung kostengünstiger Verfahren zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit.« [529]
    Jede Bemühung, das Verhalten der Menschen zu ändern, wird natürlich politische Kontroversen auslösen und Konflikte mit den Finanzinteressen mächtiger Gruppierungen wie etwa der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie heraufbeschwören. Aber es spricht nichts dafür, dass sich kollektive Gesundheitsprobleme allein mit Medikamenten und chirurgischen Eingriffen lösen lassen, und die im Zusammenhang mit der Übergewichtigkeit entstehenden Kosten – 2011 ungefähr 160 Milliarden Dollar

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