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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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vielleicht. Aber haben Sie nicht zuerst genauso dabei mitgeholfen, mich hineinzustecken? Und daß Sie mir bei meiner Flucht geholfen haben, hat doch wohl hinlänglich Anerkennung gefunden – ich habe bemerkt, daß die junge Dame Sie ansieht wie einen Helden.«
    »Sie können einen ja total verrückt machen«, sagte ich. »Ich glaube, Sie wissen das auch. Ich habe nie irgendwelche Anerkennung dafür verlangt, daß ich Ihnen aus der Klinik geholfen habe. Tatsächlich ist es sogar so, daß ich es nie erwähnt habe. Alle nahmen an, daß ich sie zufällig mitbrachte – niemand hat danach gefragt.«
    Er brauste auf. »Sie ließen sie dies annehmen, Wiehls? Sie ließen Sie annehmen, daß Zorchi eine genauso hilflose Schweinehälfte war wie all die anderen Toten … Sie ließen sie vermuten, daß Sie mich mit einer Spritze gestochen haben, damit Sie selbst sehr tapfer aussahen! Ist es nicht so, daß ich mich selbst wiederbelebt habe, Wiehls?«
    Ich bemerkte, wie ich wütend wurde. »Natürlich! Aber ich sah keinen Grund, warum ich …«
    »Warum Sie Anerkennung und Ehre teilen sollten, richtig, Wiehls? Nein, sagen Sie nichts mehr. Für mich ist die Sache abgeschlossen. Aber wie auch immer, ich weise darauf hin, daß es einen Unterschied zwischen der Rettung eines hilflosen Fleischhaufens und der rein zufälligen Hilfestellung gibt, zu der man von einem Zorchi eingeladen wird.«
    Ich beließ es dabei. Mit diesem Mann konnte man nicht diskutieren, würde es nie können.
    Ich verließ den Raum, angeblich, um nach Benedetto zu sehen, in Wirklichkeit aber, um mich ein wenig abzukühlen. Benedetto schien es gut zu gehen, das heißt, die Verbände waren nicht verrutscht, Atmung und Puls waren langsam und regelmäßig. Ich ließ mir Zeit, bis ich in das Zimmer zurückging, in dem Zorchi saß und wartete.
    Er hatte die Zeit genutzt, seinen Verstand zu gebrauchen, und sich eines Besseren besonnen. Die Neugierde dieses Mannes war unersättlich, und je mehr er sie leugnete, desto mehr trat sie hervor. Er hatte das Handbuch auf den Boden geworfen, als ich es ihm gegeben hatte, aber sobald ich nicht mehr zu sehen war, blätterte er es durch. Es lag geöffnet auf seinen Knien, und er hatte sein Gesicht dicht darüber gebeugt. Schließlich blickte er zu mir auf.
    »Wiehls!« Zum ersten Mal lag kein sardonisches Krächzen in seiner Stimme, und sein Gesicht war kalkweiß. »Erlauben Sie mir, mich zu vergewissern, daß ich Sie richtig verstanden habe. Sie sind der Überzeugung, daß dieser intelligente Plan, die Welt mit Gift zu bedecken und sie damit zu verbessern, unter anderem deswegen Erfolg haben wird, weil ein Signore Carmody diesen Defoe seiner Macht berauben wird?«
    »Also, nicht genau …«
    »Aber fast genau? Das heißt, Sie benötigen diesen Millen Carmody für Ihren Plan?«
    »Es war nicht mein Plan, aber mit dem anderen haben Sie recht.«
    »Sehr gut«. Er reichte mir das Handbuch herüber. »Hier ist ein Bild, unter dem Millen Carmody steht. Ist das der Mann?«
    Ich sah in die bekannten, warmen Augen auf dem Frontispiz. »Das stimmt. Haben Sie ihn gesehen?«
    »Das habe ich allerdings.« Der zottige Bart zuckte … ich war mir nicht sicher, ob vor Lachen oder Weinen. »Ich sah ihn vor gar nicht langer Zeit, Wiehls. Es war in dem Raum, den sie Abteilung einhundert nennen – erinnern Sie sich? Er war in einem kleinen Beutel, und er schlief sehr tief, als ich erwachte, in dem Fach, das unter meinem lag, Wiehls!«

15
     
    Jetzt also wußte ich endlich, warum Millen Carmody es Defoe gestattet hatte, aus der Gesellschaft ein Gefängnis zu machen, das die ganze Welt umfing. Er konnte es nicht verbieten, weil die Toten nichts verbieten können, und Carmody schlief mit den Toten. Kein Wunder, daß Defoe sich so sehr um den Neapelsektor kümmerte.
    Wie lange schon? Wie lange schon war Carmody still aus dem Weg geräumt, während Defoe plante und handelte und irgend jemand irgendwo in einem kleinen Raum »Erklärungen« mit Millen Carmodys Unterschrift herausgab und »Interviews« veröffentlichte, an denen nur eine Person beteiligt war! Es konnte nicht länger als fünf oder sechs Jahre her sein, überlegte ich und rechnete zu der Zeit zurück, als Defoes Name mir als gewöhnlichem Bürger zum ersten Mal auffiel, noch bevor ich seine Cousine geheiratet hatte. Sechs Jahre. Das war der Zeitpunkt des tschechoslowakischösterreichischen Krieges. Und in dem folgenden Jahr gerieten Hanoi und Zebu aneinander, und im Jahr darauf Auckland und

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