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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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mich aufzuhalten, als ich die Kanäle nach einer Nachrichtensendung absuchte.
    Ich mußte nicht lange suchen. Auf jedem Kanal war es dasselbe: Die Gesellschaft gab Anweisungen und Instruktionen durch. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind sollten sich für eine innerhalb von zehn Tagen stattfindende Einweisung in eine Klinik bereithalten …
    Ich versuchte mir die Panik und den Tumult vorzustellen, die sich momentan in der City von Neapel abspielen mußten.
    Der Nachrichtensprecher sagte: »Vergessen Sie nicht, wenn die Nummer Ihrer Blauer-Riegel-Grundpolice mit den Buchstaben A, B oder C beginnt – ich wiederhole, wenn sie mit den Buchstaben A, B oder C beginnt –, haben Sie sich bis morgen früh sechs Uhr bei Ihrer örtlichen Erste-Hilfe-Station oder Katastrophenzentrale zu melden. Es besteht keine Gefahr – ich wiederhole, keine Gefahr. Hierbei handelt es sich lediglich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, die die Gesellschaft zu Ihrem Schutz getroffen hat.« Er sah aber ganz und gar nicht so aus, als ob keine Gefahr bestünde. Vielmehr machte er den Eindruck von jemandem, der gerade einen Geist gesehen hat.
    Ich schaltete auf einen anderen Kanal. Ein genauso gequält aussehender Sprecher verkündete: »… erklärte eine Gruppe von Wissenschaftlern der Königlichen Universität, daß sich eine gefährliche Konzentration radioaktiver Spaltprodukte in den oberen Atmosphäreschichten befindet. Man hofft, daß die strahlenverseuchte Wolke südwärts treiben und, ohne Schaden anzurichten, über das östliche Mittelmeer abziehen wird. Es bleibt allerdings im Zuge einer reinen Vorsichtsmaßnahme unumgänglich, daß alle sich in diesem Großraum befindlichen Personen geschützt unterge bracht werden. Man rechnet damit, daß der Höhepunkt der Gefährdung innerhalb der nächsten vierzehn Tage eintreten wird. Eventuell auftretende Schäden sind, wenn überhaupt, nur örtlich begrenzt und auf den Viehbestand beschränkt. Hierfür werden Sie entsprechend Ihrer Blauer-Riegel-Deckung entschädigt werden. Ich wiederhole, falls es zu örtlich begrenzten Schäden kommt, so werden Sie entschädigt.«
    Ich schaltete auf einen weiteren Kanal. Örtlich begrenzter Schaden! Der Ort war die Erde! Ich probierte alle Kanäle aus, es war überall dasselbe.
    Die Gesellschaft hatte sich augenscheinlich dazu entschlossen, die gesamte Menschheit zu belügen. Alle sollten im dunkeln gelassen werden, sollten glauben, daß nur ihre kleine Sektion betroffen war, in der Überzeugung, daß es sich bei dem Aufenthalt in den Gewölben höchstens um einige Wochen oder Monate handeln konnte.
    War das Defoes geheimer Plan, fragte ich mich. Wollte er über vier Milliarden Menschen irgendwie davon überzeugen, daß fünfzig Jahre nur ein paar Wochen waren? Das würde nie klappen – der erste Astronom, der wieder in die Sterne guckte, der erste Seemann, der unmögliche Fehler in seinen Gezeitentafeln entdeckte, würde die Lüge aufdecken. Da war es schon wahrscheinlicher, daß er weiter entsprechend seiner grundlegenden Maxime handelte: Die Wahrheit ist an der breiten Masse nur verschwendet.
    »Falls mein Gast keine Verwendung mehr für das Gerät hat, wäre ich dankbar, wenn er mir gestatten würde, wieder Aida zu hören.« Zorchi sah mich ausgesprochen ironisch an.
    Ich habe wahrscheinlich irgend etwas geantwortet aber ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe – vermutlich etwas vom gleichen Kaliber. Zorchis Persönlichkeit überbeanspruchte meine Geduld langsam, aber sicher.
    Ich weckte Rena und berichtete ihr von der Evakuierung. Gähnend sagte sie: »Aber natürlich, Tom, was können sie sonst auch machen?« Und dann fing sie an, über das Frühstück zu reden, und machte sich auf den Weg ins Eßzimmer.
    Ich ging mit ihr, aber nicht, um zu essen; dort befand sich ein kleiner Fernseher, auf dem ich nach Herzenslust dieselben immer und immer wieder ausgestrahlten Sendungen verfolgen konnte. Es war ein – in gewisser Weise – erregender Anblick. Es ist immer beeindruckend, eine gigantische Maschinerie in voller Aktion zu beobachten, und es gab keine größere Maschinerie als die Gesellschaft.
    Die Idee, eine ganze Welt, wenn auch nur stückchenweise, zu suspendieren, war phantastisch und atemberaubend. Aber falls es anfänglich in den Geschäftsstellen der Gesellschaften tatsächlich zu Panikreaktionen gekommen war, so zeigte sich jetzt nichts mehr davon. Die Sprecher machten einen besorgten und leicht verwirrten Eindruck, und im Hintergrund bemerkte

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