Der Wolf aus den Highlands
solche Veränderung von Donnells Gewohnheit eher beunruhigend fand. Und wahrscheinlich hatte sie allen Grund zur Sorge, denn so etwas war ein sicheres Zeichen für Ärger.
Plötzlich durchfuhr es Annora eiskalt. Es gab nur einen Grund, warum ein Mann seine kleine Tochter zu einer Mahlzeit mit Gästen rufen ließ, zumindest für einen Mann wie Donnell. Er wusste nichts über Meggies Fertigkeiten, ihre Vorlieben und Abneigungen, also konnte er wohl kaum über solche Dinge reden wollen. Nein, Donnell führte seinen Freunden eine mögliche Braut vor.
Allein bei dem Gedanken, dass die süße kleine Meggie einem der Chisholms in die Hände fallen könnte, drehte sich Annora der Magen um. Während sie einen Apfel schälte und vom Kernhaus befreite, ließ sie die Chisholms nicht aus den Augen. Es mussten die Chisholms sein, die Donnell zu beeindrucken oder vielleicht auch zu bestechen versuchte, denn Egan hatte Meggie fast ihr ganzes Leben lang gekannt und hatte an ihr stets genauso wenig Interesse gezeigt wie Donnell. Bei der Art und Weise, wie die jungen Chisholms Meggie begutachteten, als ob sie versuchten, sich vorzustellen, wie sie wohl aussehen würde, wenn sie groß war, hätte Annora Meggie am liebsten gepackt und wäre mit ihr in die Berge geflohen.
Als Meggie schließlich weggeschickt wurde, verzehrte Annora so ruhig wie möglich ihren Apfel, dann entschuldigte sie sich höflich. Sie entfernte sich jedoch nur so weit, dass die Männer den Eindruck bekamen, sie hätte sich in ihre Schlafkammer zurückgezogen oder sich zu Meggie ins Kinderzimmer gesellt. Dann schlich sie, so leise sie konnte, zurück zur Großen Halle und drückte sich an die Wand neben der Tür. Wenn Donnell vorhatte, Meggie mit einem der Chisholms zu verheiraten, würden sie sich jetzt darüber unterhalten, nachdem der Einsatz vorgeführt worden war.
»Ein hübsches kleines Mädchen«, bemerkte Old Ian Chisholm, dessen tiefe, kratzige Stimme leicht zu erkennen war. »Was meinst du, Wee Ian?«
»Aye, sie könnte sich zu einem hübschen großen Mädchen mausern«, erwiderte Ians Erstgeborener.
Annora hätte beinahe laut geflucht. Sie musste die Hand vor den Mund pressen, um ihren Zorn daran zu hindern, sich lautstark zu äußern. Donnell hatte also tatsächlich vor, eine Verlobung zwischen Meggie und einem von Ian Chisholms hässlichen Söhnen zu arrangieren! Offenbar erhoffte er sich etwas aus einem solchen Arrangement. Allerdings waren Ian und Donnell bereits enge Verbündete, seit sie die benachbarten Clans überfielen, und standen sich in Bezug auf ihre Verbrechen bestimmt in nichts nach. Deshalb bezweifelte sie, dass Donnell von den Chisholms erpresst wurde und er ihnen deshalb sein Kind anbot, sein erstes und einziges Kind, wie er stets behauptete.
»Warum darf Kleiner Ian wählen?«, knurrte Halbert, der jüngere Sohn. »Er hat doch schon zwei Frauen gehabt.«
»Weil er mein Erbe ist, du Dummkopf«, fauchte Old Ian. »Diese schwachen Weiber, die er geheiratet hat, haben ihm vor ihrem Tod nicht den Sohn geschenkt, den wir brauchen. Die kleine Meggie ist zwar noch recht jung, doch sie scheint mir ziemlich robust und gesund.«
»Fiona ist ebenfalls robust und gesund. Warum heiratet Wee Ian nicht sie?«
»Was hat Fiona damit zu tun?«
»Kleiner Ian teilt das Bett mit ihr und zeigt ihr dabei wohl oft genug, dass er gar nicht so klein ist. Es heißt, sie erwartet sein Kind.«
Annora hörte, wie eine Faust auf Knochen traf und jemand zu Boden ging. Sie kämpfte gegen den Drang an, vor diesen Kampfgeräuschen zu fliehen, denn schon in ihren ersten Wochen auf Dunncraig hatte sie gelernt, wie ratsam solche Vorsichtsmaßnahmen waren. Doch bei dem Gedanken, was Meggie drohte, fand sie die Stärke, zu bleiben und leise zu beten, dass die Chisholms ihr Augenmerk weiter auf die fruchtbare Fiona richten mochten. Wenn die Frau von Wee Ian schwanger war, würde Meggies Heirat mit einem von Old Ian Chisholms grässlichen Sprösslingen vielleicht vorerst in den Hintergrund treten.
»Warum hast du mich geschlagen?«
Annora dachte, dass Kleiner Ian für einen ausgewachsenen Mann jammerte wie ein kleines Kind.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du diese Fiona geschwängert hast?«, fragte Old Ian unwirsch.
»Weil sie eine Hure ist und ich nicht sicher sein kann, dass es mein Kind ist, das sie erwartet.«
»Es ist deins, und das weißt du sehr wohl«, stellte Halbert schadenfroh fest. »Von dem Moment an, als du deinen Hintern in ihr Bett
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