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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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das Alpha-Weibchen, das seine
Konkurrentinnen jagte und so völlig aus dem Rudel vertrieb.
    Über das Defensiwerhalten wäre nur zu sagen, daß es
»spiegelbildlich« ist : je intensiver das aggressive Verhalten,
desto stärker die Verteidigung. Dies wird besonders deutlich bei der Reaktion auf Verfolgen und Jagen. Während
die Subdominanten Rüden nur Abstand zu den sie verfolgenden dominanten Rüden hielten, flohen die Subdominanten Weibchen vor dem ihnen nachjagenden Alpha-Weibchen.
    Neben dem agonistischen Verhalten im Rudel müssen wir
noch zwei weitere Formen aggressiven Verhaltens betrachten : die gegen Rückkehrer im Rudel sowie jene gegen völlig rudelfremde Tiere. Schon in Rickling fiel mir auf, daß
die jungen Wölfe nach der Wanderung jedesmal von den
zurückgebliebenen älteren Wölfen »verprügelt« wurden,
wenn ich sie zurück in den Zwinger schleppte. Die Ranghöheren kamen drohend heran, sprangen die Jungen an,
die sich sofort laut schreiend auf den Boden warfen. Ähnliches passierte später im Bayerischen Wald bei der Rückkehr von rangniedrigen Tieren, gleich, ob Welpen, Juvenile oder Adulte. Nur bei der Rückkehr der Ranghöchsten
folgte eine intensive und freundliche Begrüßung.
Sehr viel aggressiver waren die Reaktionen auf fremde
Tiere. Einiges darüber habe ich schon berichtet, etwa wie
Verhaltensmatrix :
Ernstkampf.
    die gegen Fremde zuerst ausgesprochen freundlichen Welpen langsam, ähnlich den Älteren im Rudel, aggressiv reagierten und wie diese Aggressivität schließlich stark von
der Stellung im Rudel abhing. Im Winter 1972/1973 machte
ich dazu einige Versuche: 48mal nahm ich insgesamt zehn
verschiedene Hunde unterschiedlicher Rassen und Größen
mit zum Gehege und registrierte dann die Reaktion der
einzelnen Rudelmitglieder hinter dem Zaun. Fast jedesmal führten sich die ranghöchsten Wölfe wie verrückt auf,
drohten, sprangen gegen den Zaun, urinierten und kratzten. Wenn sie gekonnt hätten, wären sie sofort zum Angriff
übergegangen. Nur einige Male, als ich Dackel bei mir hatte,
schienen die Wölfe eher verwundert als aggressiv. Auch die
juvenilen Wölfe, jetzt im Alter von zwanzig bis zweiundzwanzig Monaten, reagierten aggressiv, während die zum
Teil viel älteren rangniedrigen Adulten sich entweder gar
nicht um den Hund kümmerten oder ihn ohne Zeichen
von Aggressivität durch den Zaun zu beriechen versuchten. Nahm ich einzelne von ihnen aus dem Gehege, versuchten sie sogar, mit dem meistens recht eingeschüchterten Hund zu spielen.
    Weiter fiel mir auf, daß die Aggressivität gegen Fremde
im Gehege oder in dessen Nähe besonders groß war. Nach
ihrer Übersiedlung in den Bayerischen Wald reagierten die
Rudelwölfe bei Spaziergängen in Waldhäuser und Umgebung
anfangs nicht aggressiv auf die Dorfhunde. Das geschah
erst, nachdem sie sich hier sozusagen »etabliert« hatten. Die
wenigen Hunde, die aus Übermut von der Besucherkanzel
ins Gehege gesprungen waren, hatten alle nicht mehr lange
zu leben. Auf jeden Fall habe ich einige Male völlig zerbissene und zerrissene Hundekadaver im Gehege gefunden
und auch einmal selbst den Beginn eines Angriffs beobachtet. Diesen Hund konnte ich aber retten.
Weiter scheint mir – ohne daß ich dies mit Zahlen belegen könnte –, daß die Aggressivität auch von der Rudelgröße abhängt. Nachdem wir zwei Rudel in getrennten
Gehegen hielten, waren die dominanten Wölfe des kleinen
Rudels (teilweise dieselben dominanten Tiere wie früher im
großen Rudel) viel weniger aggressiv gegen fremde Hunde.
Auch Alexander, der zuerst im kleinen und nach dem großen Ausbruch zeitweise ebenfalls im großen Rudel AlphaRüde war, wurde erst in diesem wirklich aggressiv.
Spielverhalten
    Von allen sozialen Kontaktnahmen im Wolfsrudel ist Spielen die weitaus häufigste, zumindest was den Zeitaufwand
betrifft. Mitunter können die Wölfe stundenlang ununterbrochen miteinander spielerisch kämpfen oder hintereinander herjagen. Naturgemäß gilt dies eher für die jungen
als für die alten Rudelmitglieder. Doch auch diese beteiligen sich manchmal an den Spielen, und zwar nicht immer
ganz freiwillig, wie wir noch sehen werden.
    Keine Verhaltensweise bei Tieren ist intuitiv so leicht zu
erkennen, formal aber so schwer zu beschreiben wie das
Spiel. Als Merkmale für die meisten Spielformen bei Säugetieren und Vögeln gelten:
    - Auflösung der normalen Handlungsfolge (im Vergleich
zum Ernstverhalten treten die einzelnen Handlungen eines

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