Der Wolf
Radiosendern
markierten Weibchen nicht gebären. Auf der großen Isle
Royale scheinen sogar die meisten Weibchen keine Welpen zu bekommen. Jedenfalls wurden zu Beginn des Winters jeweils nur wenige der beobachteten Wölfe vom Flugzeug aus als Welpen identifiziert. Das ist zwar sehr schwierig und die Fehlerquelle groß. Trotzdem ist Rolf Peterson
sicher, daß der Anteil von Welpen bis Mitte der achtziger
Jahre relativ niedrig war, was entweder auf eine hohe Sterberate unter den jungen Welpen oder auf eine geringe Geburtenrate zurückzuführen wäre. Peterson nimmt das letztere
an, vor allem weil er auch mehrmals beobachtet hat, wie
das Alpha-Weibchen die Paarung subdominanter Weibchen verhinderte.
Wie lassen sich die hohe Geburtenrate in Alaska und die
verhältnismäßig geringe weiter östlich erklären ? Verhalten
sich die Wölfe in Alaska anders als die Timberwölfe im
Osten ? Ich glaube nicht. Vielmehr scheint hier der menschliche Einfluß von ausschlaggebender Bedeutung zu sein. In
Alaska wurden zur Zeit des Vergleichs Wölfe intensiv verfolgt, während sie in den drei erwähnten Untersuchungsgebieten im Osten unter Schutz stehen. Die Sterberate adulter
Wölfe war in Alaska daher auch sehr hoch, etwa 50 Prozent, im Vergleich zu etwa 10 Prozent auf Isle Royale, dies
bis etwa 1985. (Danach wurde es auch hier anders, wie wir
noch sehen werden.) Die Folge ist ein hoher Anteil von Welpen in Alaska, nämlich 44 bis 60 Prozent, im Vergleich zu
31 Prozent im Algonquin Park und vermutlich noch weniger auf Isle Royale.
In den bejagten Gebieten Alaskas waren außerdem die
Rudel verhältnismäßig klein. Dies hängt offensichtlich mit
der geringen Dichte aufgrund des hohen Jagddrucks zusammen. Als 1953 in einem Jagdareal (Game management unit
13) die Jagd auf Wölfe verboten wurde, vermehrte sich der
anfänglich auf zwölf Tiere geschätzte Bestand auf 350 bis
400 im Jahr 1965. Gleichzeitig nahmen die beobachteten
Rudelgrößen beträchtlich zu. Im Winter 1960/1961 wurde
noch kein einziges Rudel mit mehr als sieben Tieren beobachtet, während fünf Jahre später 56 Prozent aller gesichteten Gruppen größer als sieben Tiere waren. Hoher Jagddruck führt zu geringen Populationsdichten und kleinen
Rudeln. Bei unserem bisherigen Wissen von der sozialen
Struktur des Wolfsrudels müssen wir annehmen, daß in
solchen kleinen Rudeln mit einem hohen Anteil an Welpen zumeist nur ein geschlechtsreifes Weibchen lebt. Somit
bekommt fast jedes geschlechtsreife Weibchen der Population Junge.
In den vor menschlicher Jagd geschützten Gebieten hingegen sind die Rudel größer, und auch das Durchschnittsalter liegt höher. Viele ältere Tiere leben außerdem solitär
in kleinen, nichtterritorialen Gruppen. Der Prozentsatz
gebärender Weibchen ist demnach geringer.
Daß hohe Reproduktionsraten nicht für alle Gebiete
Alaskas gelten, zeigen weiter die Ergebnisse von Gordon
Haber im Mount-McKinley-Gebiet, in dem die Wölfe ebenfalls geschützt sind. Wie es sich für einen modernen amerikanischen Wildbiologen gehört, beobachtet auch er die
Wölfe vom Flugzeug aus – etwas, was sein großer Vorgänger Murie, der teilweise mit Hundeschlitten unterwegs war,
sich wohl nicht einmal im Traum hätte vorstellen können.
Haber, inzwischen ein wilder Streiter für die Wölfe, hat mit
dieser Methode in den vielen Jahren seiner Arbeit ein sehr
großes Datenmaterial zusammengetragen. Daraus geht hervor, daß längst nicht alle Weibchen gebären. Auch in den
italienischen Abruzzen, von denen später noch die Rede
sein soll, ist die Reproduktionsrate gering – sehr gering
sogar, falls unsere wenigen Daten repräsentativ sind: Von
insgesamt vier radiomarkierten Weibchen, die in der Beobachtungsszeit sechs Würfe zur Welt hätten bringen können, wurde nur ein Wurf geboren. Die Ursachen hierfür
liegen aber sicherlich weder an einer hohen Populationsdichte noch an großen Rudeln, sondern es dürfte umgekehrt sein: Die nicht-gebärenden Weibchen fanden keinen Wolfsrüden.
Es scheint somit, daß die Reproduktionsrate beziehungsweise der prozentuale Anteil gebärender Weibchen bei den
Wölfen mit abhängig ist von der Populationsdichte : Bei hoher
Dichte ist sie gering, mit schwindender Dichte nimmt sie zu
und bei sehr geringer Dichte dann wieder drastisch ab.
Aus dem prozentualen Anteil von Welpen in einer Population läßt sich demnach der Einfluß des Menschen auf die
Wölfe abschätzen. Doug Pimlott stellte dazu Berechnungen an und kam zu dem
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