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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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Verhaltensablaufes in immer neuen Kombinationen auf);
– Wiederholungen (einzelne Verhaltensabläufe werden
mehrmals hintereinander wiederholt) ;
– Rollenwechsel (im Sozialspiel wechseln die Spielrollen,
etwa zwischen Angreifer und Verteidiger);
– entspanntes Feld (Spiel tritt auf, wenn Antriebe aus anderen Funktionskreisen, etwa Jagen, Hunger, Flucht, Müdigkeit, nicht vorhanden sind) ;
– keine Endhandlung (im Spiel wird Jagen gespielt, die
Endhandlung aber, das Töten, fällt weg) ;
– kein Ernstbezug beziehungsweise kein außenliegendes
Ziel (gespielt wird des Spielens wegen und nicht, um irgend
etwas anderes zu erreichen);
– lockere und häufig auch überschwenglich erscheinende
Bewegungen.
    Die vielen formalen Kriterien des Spiels deuten darauf
hin, daß dieses Verhalten sich vom Ernstverhalten, dem
die einzelnen Bewegungsweisen ja alle in ihrer Grundform entstammen, ganz deutlich absetzt und für den Partner klar zu erkennen sein muß, damit keine Mißverständnisse über die wechselseitigen Absichten entstehen. So können vor allem die jungen Tiere im Laufe ihrer Entwicklung
Bewegungen und soziale Reaktionsnormen einüben, ohne
daß die im Ernstverhalten üblichen Konsequenzen erfolgen. Dies scheint die primäre Funktion des Spiels zu sein.
Entsprechend häufig beobachten wir es auch im Wolfsrudel bevorzugt zwischen den Jungtieren.
Bei sozial hochstehenden Tierarten wie Primaten einschließlich des Menschen und auch beim Wolf lassen sich
Verhaltensmatrix: Soziales Spiel.
    Spielformen beobachten, denen bis auf das letztgenannte –
die überschwenglichen Bewegungen – alle anderen Kriterien fehlen. Das Spiel kann, wie wir wissen, als taktische
Variante bei ernsthaften sozialen Auseinandersetzungen
eingesetzt werden, aber auch als Ablenkung von weiteren
Angriffen dienen oder als Trick, um solche zu kaschieren ;
ferner kann es den Gegner täuschen oder besänftigen, animieren oder hemmen. Der Muskeltonus ist zwar auch dann
locker, der Ernstbezug hingegen fehlt keineswegs. Dieses
»gespielte Spiel« ist durchaus ernst.
    So ist das Spiel der älteren Wölfe, zumindest untereinander, niemals ganz losgelöst vom sonstigen Geschehen im
Rudel. Soziale Konflikte, Rangbeziehungen, sexuelle Animierung, Führungsinitiative, Verteilung zur Verfügung
stehender Mittel (wie Futter oder Liegeplätze) finden sehr
häufig mit Hilfe spielerischen Verhaltens ihren Ausdruck.
Daß Konflikte aber nicht ausschließlich spielerisch ausgetragen werden, liegt wohl daran, daß alle älteren Wölfe
diese Methode beherrschen und auch in der Lage sind, den
»Trick« zu durchschauen. So habe ich beobachten können,
daß ältere Wölfe nur jüngere durch Spielbewegungen und
Spielaufforderungen von einem Futterstück ablenken können, um es sich dann selbst zu holen. Ältere Wölfe würden
sofort merken, was »gespielt« wird, und sich nicht darauf
einlassen. Auch die Jüngeren reagierten nur darauf, wenn
sie selber nicht mehr allzu hungrig waren. Wenn sie hingegen hungrig Futter verschlangen, kamen die anderen wohl
gar nicht auf die Idee, den »Spieltrick« zu versuchen, da sie
gelernt hatten, daß es nutzlos ist. Spielerisches Verhalten als
Taktik einzusetzen verlangt eine genaue Einschätzung der
jeweiligen Situation, und dazu bedarf es der Erfahrung.
    Dementsprechend scheint sich die Funktion des Spielens
im Laufe der individuellen Entwicklung der Wölfe zu verändern. Bei den Welpen dient es der Einübung komplexer
Bewegungsweisen : Solitärspiele sind jetzt häufig. Bald aber
wird fast nur in der Gruppe gespielt, wobei soziale Reaktionsmuster erlernt werden, zum Beispiel auch, daß eigenes
festes Zubeißen aggressive Reaktionen des Partners hervorruft. So wird die Beißhemmung entwickelt. Das Spielverhalten wird schnell friedlicher. Erst mit der zunehmenden
Aggressivität der älteren Welpen und der Juvenilen wird
das Spiel wieder aggressiver. Jetzt hat das Spiel bereits eine
neue Funktion erhalten: Es ist eine Strategie zum Austragen sozialer Konflikte.
    Nach dieser Vorstellung von der Funktion des sozialen
Spiels müssen vor allem Wölfe auf benachbarten Positionen miteinander spielen, und das war bei unseren Beobachtungen tatsächlich auch der Fall. Am seltensten spielte
der souveräne Alpha-Rüde, dann kam das Alpha-Weibchen.
Die rangniedrigen Adulten spielten indessen ausgesprochen
häufig. In der Tat fielen diese Rudelmitglieder besonders
durch ihr ständig verspielt-»kindlich« wirkendes Verhalten auf. Es

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