Der Wolf
an
die Begeisterung der einheimischen Bevölkerung über die
paar wenigen Wolfsspuren, die wir im sandigen Boden
des Truppenübungsplatzes fanden. Ich gewann den Eindruck, dass die Lausitzer geradezu stolz darauf waren, dass
die ersten Wölfe Deutschlands ausgerechnet in ihr Gebiet
gekommen waren.
Einen ähnlichen Eindruck hatte ich in der Uckermark,
an der polnischen Grenze von Mecklenburg-Vorpommern,
wo ein Wolf, anlässlich einer Treibjagd – noch dazu von
einem westdeutschen Jäger( !) – geschossen worden war.
Die Empörung der einheimischen Jäger war groß.
Und zum Glück – für den Wolf und seine Freunde – sind
die Reaktionen in den neuen Bundesländern keineswegs nur
positive Abweichungen von einem negativen Grundtrend.
Kein Zweifel, die Einstellung zum Wolf hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert; es hat so etwas wie einen Paradigmenwechsel gegeben. Ohne diesen Wandel hätten die Ausbreitungsversuche der Wölfe ganz sicher keine Chance.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der neue
Umgang mit der Natur. Die Keimzellen der heutigen WolfsAusbreitung sind meist Regionen, in denen große, neue
Schutzgebiete liegen. Hier können sich die Wölfe ungestört
vermehren und auswandern, wenn die Besatzdichte zu groß
wird.
Es sind vor allem die jungen Rüden, die auf der Suche
nach neuem Lebensraum umherwandern. Wenn sie Glück
haben, finden sie unterwegs ein Weibchen, das ebenfalls
ihr Rudel auf der Suche nach Raum für eine neue Familie
verlassen hat. Das Beispiel Schweden zeigt, dass diese Art
der Wiederausbreitung eine reale Möglichkeit ist.
Die hoffnungsträchtige(re)n Zielgebiete der neuen Einwanderung sind ausgeprägt naturnah; häufig stehen sie
sogar unter strengem Schutz, wie zum Beispiel die Nationalparks Bayerischer Wald oder Le Mercantour in den Westalpen. Fehlt jedoch dieser Schutz, haben es die Wölfe nicht
leicht, wieder Fuß zu fassen ; der Widerstand der Schäfer
und illegale Abschüsse verhindern vielerorts die Bildung
von Gründerpopulationen.
So kann man nur hoffen, dass die neue Duldsamkeit,
die sich zugunsten des Wolfes andeutet, bestehen bleibt,
dass sie wächst und konkret wird. Sie ist letztendlich Ausdruck eines neuen Umgangs mit der Natur und daher über
den Wolf hinaus wichtig. Jedenfalls zeigt die spektakuläre
Rückkehr des Wolfes – symbolhaft und real –, dass sich
die Natur auch von harten Schlägen erholen kann. Das
macht Hoffnung.
Wann hat der Wolf eine Chance ?
Aber Wölfe werden natürlich vom Prinzip Hoffnung nicht
satt. Nur wo sie sich der ständigen Verfolgung durch den
Menschen entziehen konnten, haben sie überlebt. Wurden
solche Rückzugsgebiete erschlossen, starb der Wolf auch
hier in der Regel schnell aus. So zum Beispiel im unwegsamen Grenzgebirge zwischen Schweden und Norwegen
mit der Einführung des Schneeskooters um 1960.
Überall, wo die wild lebenden Beutetiere des Wolfes durch
den Menschen ausgerottet wurden (z. B. der Elch in großen Teilen Skandinaviens um 1830) und wo außerdem die
Haustiere im Winterhalbjahr eingesperrt bleiben (z. B. Nordund Mitteleuropa), starben die Wölfe aus. Nur in Gebieten mit ausreichenden Wildtier-Populationen (Osteuropa)
oder in Gegenden, wo der Weidebetrieb von Schafen, Ziegen und Schweinen auch im Winter stattfindet (z. B. Südeuropa), haben Wölfe bis heute überlebt.
Je deutlicher die Zuwanderer sich auch in Zentraleuropa
zurückmelden, desto dringlicher werden Fragen nach ihren
Bedürfnissen – gegebenenfalls nach ihren Minimal-Bedürfnissen. Wie muss eine potenzielle neue Wolfsheimat aussehen ?
Wolfstauglich sind Gebiete,
1. die von Menschen relativ dünn besiedelt sind und große
zusammenhängende Lebensräume aufweisen, die von
bedeutenden Verkehrswegen oder anderen Großeingriffen wenig fragmentiert wurden,
2. in denen relativ sichere Rückzugsgebiete vorhanden sind,
wo sich die Wölfe tagsüber von Menschen ungestört aufhalten können, wie beispielsweise in großen, geschlossenen, weglosen und besonders unzugänglichen Waldgebieten oder Mooren (z. B. in den Baltischen Staaten,
Ostpolen, Russland) oder – noch besser – in steilen bewalde ten Felsregionen im Gebirge (z. B. Kantabrien, Apenninen, Karpaten),
3. in denen ganzjährig ausreichend Beutetiere jagdbar sind,
egal ob Haustiere (z. B. Spanien, Italien) oder Haus- und
Wildtiere (z. B. Rumänien) oder ausschließlich Wildtiere
(z. B. Ostfinnland).
Wenn man all die historischen, teils aber auch noch sehr
aktuellen
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