Der Wolf
Hilfe dieser Körpersprache
drücken die Wölfe ihre Stimmung, ihre Handlungsbereitschaft aus, und diese wird von den anderen Wölfen verstanden. Den vorhin bei Anfa geschilderten Bewegungsablauf
nannte Schenkel »aktive Unterwerfung«, das Rollen auf
den Rücken sowie das Stilliegen mit gespreizten Beinen
»passive Unterwerfung«.
Aktive und passive Unterwerfung.
Bei der aktiven Unterwerfung hört man zumeist ein deutliches Winseln, und wenn der Wolf auf den Rücken fällt
und dann still auf dem Boden liegt, schnuppern die anderen Wölfe ihm häufig ins Fell und in die Anogenitalregion.
Nicht selten lecken sie auch den auf dem Rücken Liegenden, und solange dies geschieht, verharrt der Wolf in dieser
Haltung. Offensichtlich läuft ein Informationsaustausch ab,
nicht nur im optischen, sondern auch im akustischen, im
olfaktorischen und im taktilen Bereich, in manchen Fällen vielleicht sogar mit Hilfe des Geschmackssinns.
Das Erlernen von Signalbedeutungen
Kommunikation setzt voraus, daß zwischen Sender und
Empfänger Übereinstimmung herrscht über die Bedeutung
der Signale. Wir müssen demnach genau unterscheiden
zwischen der Form des Signals, das heißt, wie es entsteht
und übermittelt wird, seinen physikalischen Merkmalen
also, und der Bedeutung des Signals, das heißt, wie es vom
Partner verstanden wird. Bei den Wölfen dürfte die Form
der meisten Verhaltensweisen, die der Kommunikation die nen, angeboren sein. Anfa zum Beispiel, die zuerst bei uns
allein, ohne Kontakt mit anderen Wölfen oder Hunden,
aufgezogen wurde, hat die Zähne gebleckt, geknurrt, geheult, mit dem Schwanz gewedelt und die Ohren bewegt
wie jeder andere Wolf in ihrem Alter auch.
Wie kleine Quälgeister bestürmen Welpen ältere Wölfe,
überrumpeln sie, springen sie an und klettern auf ihnen
herum, ohne sich um deren manchmal doch sehr deutliche
Proteste zu kümmern. Sie sind völlig respektlos und bar
jeder Autoritätshörigkeit. Dabei könnten ihnen die Altwölfe
mit einem einzigen Biß den Schädel zertrümmern.
Selber also senden die Welpen ihre Signale völlig arttypisch, verstehen aber nicht gleich, was die anderen »sagen«.
Warum nicht ? Warum lernen die Welpen zum Beispiel
die Bedeutung der Drohsignale ihrer älteren Artgenossen
nicht schneller, und wieso verschaffen sich diese nicht mehr
Respekt ? Die wilde Schar muß ihnen doch recht lästig sein.
Manchmal werden die nicht enden wollenden Zärtlichkeitsbekundungen der Welpen geradezu gefährlich, zumindest
aber nachteilig für das gesamte Rudel. So kommt es nicht
selten vor, daß alle erwachsenen Tiere die Welpen verlassen, um sich in größerer Entfernung von den Strapazen
einer Jagd auszuruhen, und die Welpen unbewacht bleiben. Umgekehrt können diese in ihrem Sturm und Drang
Über-die-Schnauze-Beißen.
den geordneten Aufbruch der älteren Rudelmitglieder zu
neuen Jagden verhindern, was zweifellos nicht im Interesse
der immer hungrigen Welpen liegt.
Wie wohl bei Menschenkindern nicht anders liegt die
Erklärung für die fehlende Einsicht der Welpen in die Konsequenzen einer Nichtbeachtung von Drohsignalen im Ausbleiben ebendieser Konsequenzen. Die Altwölfe könnten
zwar fester zubeißen, wenn die Welpen auf ihre Drohsignale nicht richtig reagieren ; sie tun es aber nicht. Auf
das deutliche Zähneblecken und das laute Knurren folgt
nicht die angedrohte Strafe, und so lernen die Welpen im
Umgang mit den erwachsenen Wölfen auch nicht die Bedeutung dieser Signale ; trotz aller Proteste seitens der Älteren
hört man Welpen nur sehr selten vor Schmerz aufschreien.
Ganz anders ist es jedoch, wenn sie unter sich spielen oder
gar miteinander kämpfen. Dann sind die Schreie laut, ist
wildes Umsichbeißen häufig, vor allem im dritten und im
vierten Lebensmonat, wenn die spitzen Milchzähne voll
ausgebildet und die Kiefermuskeln stark genug sind, um
schmerzhafte Bisse auszuteilen. So scheint es, daß die Welpen hauptsächlich im Spiel untereinander die Bedeutung
vieler Signale richtig einzuschätzen lernen, die für sie später
von so großer Wichtigkeit sein werden. Denn spätestens in
ihrem ersten Winter, im Alter von acht bis zwölf Monaten,
verlieren sie ihren Babyschutz im Rudel ; dann müssen sie
auch auf eine Drohung richtig reagieren können.
Angeborenes Signalverstehen
Doch nicht alle Signale müssen die Welpen erst lernen.
Manche Signale scheinen ihnen angeboren zu sein. Im großen Wolfsgehege im Nationalpark Bayerischer Wald wurden im Frühjahr 1976
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