Der Wolf
fangen und sie mit
kleinen, in Halsbänder eingebauten Radiosendern zu versehen. Mit Hilfe eines Empfängers und einer Richtantenne
konnten er und seine Mitarbeiter so die markierten Wölfe
von einem Flugzeug aus orten. Im Winter, bei Spurschnee,
konnten sie außerdem die Spuren der Wölfe verfolgen und
so Informationen über das Verhalten der Wölfe sammeln,
beispielsweise auch über ihre Markierungsgewohnheiten.
Dabei stellten sie fest, daß das Spritzharnen der ranghöchsten Wölfe sehr viel häufiger stattfindet als das gewöhnliche Urinieren in der Hocke und das Markieren mit Kot.
Während das gewöhnliche Urinieren und das Koten in der
Regel eine defäkierende Funktion haben und erst in zweiter
Linie auch geruchliche Informationsstellen schaffen, handelt
es sich beim Spritzharnen um ein echtes Markierungsverhalten. Vor allem werden markante Büsche, Steine, Bäume
oder Grasbüschel entlang eines traditionellen Wanderweges
mit ein paar Tropfen Urin markiert: bis zu vier Stellen je
zurückgelegten Kilometer. Bevorzugt wird an Wegkreuzungen markiert, ebenso an den bereits früher von demselben Tier markierten Stellen. Der Geruch scheint sich
fast einen Monat lang zu halten, denn so lange löste ein
erneutes Vorbeilaufen wieder Spritzharnen aus. Da das
Rudel nun in der Regel jedes Gebiet seines Reviers mindestens einmal alle drei bis vier Wochen durchwandert, wird
das ganze vom Rudel in Anspruch genommene Gebiet auf
diese Weise ständig durchmarkiert. Besonders häufig markieren sie, wie Mech und Rogers weiter herausfanden, in
den Grenzgebieten zu den benachbarten Territorien. Häufig benutzen zwei Nachbarrudel in Grenzgebieten dieselben
Markierungsplätze, wobei sie hier besonders aufgeregt die
Stellen beriechen, aufs neue markieren und danach intensiv kratzen.
So scheint es, daß diese Form einer indirekten geruchlichen Kommunikation nicht nur innerhalb des Rudels den
einzelnen Rudelmitgliedern über den Aufenthaltsort und
die Bewegungen der anderen Auskunft gibt, sondern auch
zur räumlichen Organisation der gesamten Wolfspopulation beiträgt. Die Jagdgebiete der einzelnen Rudel werden
dadurch behauptet. Benachbarte Rudel können sich aus
dem Wege gehen und eine Konfrontation vermeiden. Die
nichtterritorialen Einzelwölfe, die sich auch zu Paaren oder
kleinen Gruppen zusammentun, können ebenfalls auf diese
Weise einer Konfrontation mit den territorienbesitzenden
Rudeln ausweichen und vielleicht auch auf ihren langen
Wanderungen ein nichtmarkiertes Gebiet finden, in dem sie
bleiben, Junge aufziehen und ein neues territoriales Rudel
bilden.
Auch im sexuellen Bereich spielt die geruchliche Kommunikation eine wesentliche Rolle. Das ganze Jahr lang,
besonders häufig aber vor und während der Ranzzeit im
Winter uriniert das sogenannte Alpha-Paar, die beiden ranghöchsten Wölfe des Rudels, hintereinander am selben Fleck.
Manchmal beteiligen sich auch weitere ranghohe Rüden
an diesen »Urinierzeremonien«. Jeder beschnuppert intensiv den durch Spritzharnen abgegebenen Urin der anderen Rudelmitglieder, bevor der eigene Urin dicht daneben
abgesetzt wird. Vermutlich erfahren die Rüden so den
Stand der Hitze beim Weibchen, und womöglich dient das
gemeinsame Urinieren auch der Bindung. »Wolves that pee
together, stay together« (»Wölfe, die zusammen pinkeln,
bleiben zusammen«).
Schließlich gibt es ein Verhalten möglicher geruchlicher
Kommunikation, von deren Funktion wir so gut wie nichts
wissen : Warum wälzen und rollen sich Wölfe (und auch
Hunde) in übelriechenden Substanzen, in Aas und Dreck ?
Anfa war erst ein paar Monate alt, als sie sich in den stinkenden Überresten eines ziemlich verwesten Hasen suhlte.
Dementsprechend roch sie dann auch – zum Davonlaufen.
Dieser Abscheu der Menschen von starken Gerüchen der
Verwesung ist offensichtlich bei den Wölfen nicht vorhanden ; vielmehr fressen sie das Zeug oft noch auf, wie es auch
Anfa mit diesem Hasen tat. Bevorzugt werden vor allem
Kadaver von Wildtieren. Als wir zum Beispiel die Wölfe
mit den Innereien von Wildenten fütterten, rollten sich
alle zuerst darin, ehe sie fraßen. Die Reste oder auch die
ganzen Hausenten, die wir manchmal aus der Schlachterei bekamen, fraßen sie dagegen stets gleich auf, ohne sich
darin zu rollen. Daneben wälzten sich die Wölfe gern in
faulem Obst und in Kot.
Die nichtzahmen Gehegewölfe, die wir nicht aus dem
Gehege herausnehmen konnten, waren dabei besonders
leicht zum Wälzen zu bringen. Fast jeden
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