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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Zimen
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vermutlich alle akustischen Signale, die der Wolf bei
der innerartlichen Kommunikation verwendet, in auch für
uns wahrnehmbaren Frequenzbereichen. Auch seine akustische Sinnesleistung entspricht vermutlich der eines gut
hörenden Menschen.
Eine ungleich höhere Leistung erbringt aber sein Geruchssystem. Wie gut er riechen kann, wissen wir zwar nicht
genau, doch seine Leistung dürfte mit der des Hundes vergleichbar sein. In ihrem letzten Lebensjahr war die Wölfin mit dem Namen »Mädchen« offenbar fast völlig erblindet. Trotzdem war sie in der Lage, Menschen und Wölfe
schon von weitem, bei Windstille bis auf etwa zwanzig
Meter Entfernung, zu unterscheiden, und hatte sie einmal
deren Spur aufgenommen, konnte sie dieser kilometerweit
folgen. Dabei war sie imstande, sich auch in unbekanntem
Gelände gut zurechtzufinden. Gegen einen plötzlich vor
sie hingestellten Gegenstand rannte sie allerdings mit voller Wucht an. Wir Menschen mit unserem kümmerlichen
Riechorgan können uns vermutlich gar keine Vorstellung
machen von dem reich gegliederten »Duftbild« des Wolfes
und des Hundes, wo jeder Grashalm, jeder Stock und wohl
auch die Landschaft als Ganzes und erst recht die Spuren
von Freund, Feind und Beute vor allem durch den Geruch
wahrgenommen werden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist weiterhin, daß
Wölfe und Hunde sich nicht vor bestimmten Gerüchen
»ekeln«, wie wir, die soviel schlechter riechenden Menschen,
es tun. So fressen sie beispielsweise verfaultes Fleisch, was
bei uns Brechreiz erzeugt, oder sie wälzen sich darin. Vermutlich hängt dies mit ihrer Anpassung an die Verwertung
jeglichen Nahrungsangebotes zusammen. Ihr Magen kann
Substanzen verdauen, die uns Zivilisationsmenschen womöglich umbringen oder zumindest krank machen würden. Entsprechend der hohen Geruchsleistung können die Wölfe
wohl auch sehr viel besser schmecken als der Mensch.
Über den Tastsinn des Wolfes schließlich läßt sich nicht
viel mehr sagen, als daß Wölfe Berührungen, Kälte, Wärme
und Schmerz wohl ähnlich wie der Mensch wahrnehmen.
Besonders empfindliche Stellen für Berührungen sind die
Schnauze mit den Tasthaaren und vermutlich auch die
Pfoten ; hier ist der Haarwuchs entweder kurz oder nicht
vorhanden.
Was ist Kommunikation ?
    Die unterschiedliche Leistung unserer Sinnesorgane, vor
allem unseres schwach entwickelten Geruchssinnes, macht
es dem menschlichen Beobachter nicht immer leicht, die
Kommunikation zwischen Wölfen zu erkennen und zu deuten. Unter »Kommunikation« verstehen wir eine von einem
Tier (Sender) auf ein anderes Tier (Empfänger) gerichtete
Aktion (Signal), die das Verhalten des Empfängers verändert.
    Natürlich können wir uns auch eine Form der Kommunikation vorstellen, bei der das Verfahren des Empfängers
nicht beeinflußt wird, doch läßt sich diese vom menschlichen Beobachter nicht feststellen. Bleiben wir also bei der
operationalen Definition. Kommunikation ist demnach
nicht das Signal allein, sondern die Beziehung zwischen
dem Signal und seiner Deutung, die sich im Verhalten beider Tiere ausdrückt. In der Regel sind »Sender« und »Empfänger« Tiere derselben Art. Jagd als eine gerichtete Aktion
mit einer entsprechenden Reaktion der Beute ist also in diesem Sinne nicht als Kommunikation zu verstehen. Auch
die bloße Existenz eines Tieres, die das Verhalten eines
anderen Tieres verändern kann – was in einem sozialen
Verband ja ständig passiert –, ist noch keine Kommunikation, da es sich hier nicht um gerichtete Aktionen handelt.
Unter »gerichtet« verstehen wir dabei nicht nur eine vom
Sender auf einen Empfänger bezogene Aktion, zum Beispiel Zähneblecken, sondern auch Aktionen, die nicht auf
einen bestimmten Empfänger bezogen sind, auf die aber
irgendwann eine Reaktion erfolgen kann. Das Absetzen
von Duftmarken in Form von Urin ist eine solche auf einen
unbestimmten Empfänger bezogene Aktion.
    Die Kommunikation zwischen höheren Tieren ist der nichtverbalen Verständigung zwischen Menschen – Gesichtsmimik, Körperhaltung, taktile Signale wie Streicheln und elementare Lautäußerungen wie Lachen und Weinen – durchaus vergleichbar. Wie diese ist sie für die Art spezifisch und
universell. Sie ist nicht begrifflich, drückt also Gegenstände,
Eigenschaften und vor allem Geschehnisse nicht symbolhaft aus und ist somit nicht in der Lage, dem Partner Vorgänge in Vergangenheit und Zukunft zu schildern. Es fehlt
ihr also, entsprechend der geringen geistigen

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