Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
lauern noch viele andere Möglichkeiten, wie wir zwischen hier und der Hauptstadt ums Leben kommen können.«
Die Byrnes waren ein ziemlich pessimistischer Haufen.
»Also schön«, sagte sie rasch. »Betrachtet meinen Dank als zurückgezogen. Und jetzt gebt mir Eure nassen Sachen, damit ich sie aufhängen kann. So klein unsere Chancen auch sein mögen, diese Nacht zu überleben … angesichts der sinkenden Temperaturen können wir morgen nicht wieder nasse Sachen anziehen.«
Byrne schüttelte den Kopf, und seine Mundwinkel zuckten. »Vergebt mir, Eure Hoheit«, bat er. »Ich hatte vergessen, wie tüchtig Ihr seid.«
»Ich habe drei Jahre bei den Demonai gelebt«, erklärte sie. »Sie reisen stets mit leichtem Gepäck. Wenn man da nicht seinen Beitrag leistet, landet man im Camp bei den Kleinkindern und Alten.«
»Manche würden es bevorzugen, im Camp zu bleiben, statt mit den Demonai zu reiten«, sagte Byrne. Er riss sich die Handschuhe von den Händen und reichte sie Raisa. Dann zog er seine Stiefel und auch die Socken aus. Raisa bemerkte allerdings, dass er sie zwar gegen ein Paar trockene Socken aus den Satteltaschen eintauschte, die Stiefel aber wieder anzog. Offensichtlich hatte der Hauptmann nicht vor, sich ohne Stiefel überraschen zu lassen.
Raisa zögerte; sie rieb sich die gerade erst befreiten Zehen und streckte sie ein paarmal, dann folgte sie seinem Beispiel. Als sie sich nach vorn beugte, um die Stiefel zuzuschnüren, packte Byrne sie plötzlich an der Schulter. Die Vermessenheit dieser Geste passte so wenig zu ihm, dass sie verblüfft aufblickte.
Byrne fluchte leise. »Beim Blute und den Gebeinen! Ihr seid verwundet! Warum habt Ihr nichts gesagt? Was ist passiert?«
Raisa tastete nach der Wunde in ihrem Nacken; sie hatte sie ganz und gar vergessen. Ihre Hand war jetzt klebrig. »Ein Streifschuss, mehr nicht, Hauptmann. Es ist nichts Ernstes.«
»Das würde ich lieber selbst beurteilen«, brummte er. »Ich sollte mir das besser ansehen. Attentäter tauchen ihre Pfeilspitzen manchmal in Gift.« Und dann presste er die Lippen zusammen, als hätte er schon zu viel gesagt. Er drehte sie so herum, dass die Wärme des Feuers in ihrem Rücken war, dann strich er ihre Haare zur Seite und tastete mit dicken Fingern über ihren Nacken. »Wie fühlt Ihr Euch? Irgendwelche Anzeichen von Benommenheit, Doppelbildern oder schleichender Taubheit?«
Raisa zitterte. Sie war überzeugt davon, dass sie im Laufe der Zeit alle diese Symptome würde heraufbeschwören können. »Wisst Ihr, wer sie waren?«, fragte sie. »Ihr scheint einen Verdacht zu haben.«
»Leute vom Vale, soweit ich es erkennen konnte. Jedenfalls keine vom Clan. Aber ich habe sie nicht richtig sehen können.« Byrne holte einen kleinen Eisentopf hervor, füllte ihn mit Schnee und stellte ihn ins Feuer. »Ich finde keinen Hinweis auf irgendein Gift, Eure Hoheit. Aber wir werden die Wunde trotzdem gut auswaschen und mit einer Salbe einreiben, die es rausziehen wird, und dann …«
»Ihr habt von Attentätern gesprochen, Hauptmann«, schnappte Raisa und unterbrach seinen medizinischen Bericht.
Byrne stieß einen tiefen Atemzug aus. »Ich bin mir nicht ganz sicher«, gab er zu. »Aber ich glaube, dass es welche waren. Einfache Wegelagerer steigen nicht so hoch; das würden die Clans nicht hinnehmen. Abgesehen davon gibt es um diese Jahreszeit gar nicht genug Reisende, dass eine Gruppe von dieser Größe davon leben könnte. Und Wegelagerer würden auch kein Tripel Soldaten angreifen. Soldaten haben gewöhnlich nicht viel Geld bei sich, und weiter unten gibt es leichtere Opfer und besseres Wetter. Die Männer waren gut genährt, gut beritten und gut bewaffnet. Ich vermute, dass sie uns erwartet haben.«
Byrne beugte sich über das Feuer, und die Flammen beleuchteten seine grimmigen Gesichtszüge. »Wenn ich recht habe, suchen sie immer noch nach uns, oder sie werden es wieder tun, sobald sich das Wetter bessert. Sie haben den Vorteil, dass sie wissen, wohin wir wollen.«
Das Wasser war jetzt heiß genug, um Byrnes Ansprüchen zu genügen, und er hob den Topf mit einem schweren Stock von den Flammen. Er legte ein paar saubere Stofffetzen in das Wasser und ließ sie ein paar Minuten einweichen, ehe er sie mit dem gleichen Stock wieder herausfischte. Als sie etwas abgekühlt waren, sodass er sie anfassen konnte, drückte er sie aus und legte sie auf Raisas Nacken.
»Au!«, zischte sie völlig verblüfft über die Hitze. »Tut mir leid«, fügte
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