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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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nach vorn, während die Übrigen in perfekter Choreografie einen Schritt rückwärts machten.
    »Johnny Naphtha.« Fils Lächeln wirkte angespannter als eine Geigensaite.
    »Filiusss Viae«, erwiderte der ölgetränkte Mann. Seine sonore Stimme war samtweich, angenehm. »Stiefsohn der Straßßßen. Pflaumenaugussst der Pflassstersteine. Betörer der Brückenpfeiler. Großßßguru der Gehsteige. Meissstersinger der M25 – «
    Fil seufzte und unterbrach ihn. »Könntest du eventuell damit aufhören, mich zu verscheißern, Johnny?«
    »Esss verblüfft mich, dasss du annimmssst, ich hätte solch Sakrileg im Sinn, Filiusss.« Johnny wandte sich Beth zu, und die Synode verbeugte sich einträchtig vor ihr. Öl tropfte von ihren Stirnen und spritzte über die Kieselsteine. »Und wer issst diese kisssmetgeküssste Kurtisane, die so liebenssswürdig issst, Eure Hoheit zu begleiten?«
    »Ich«, knurrte Beth, »bin keine verschissene Kurtisane.«
    Fil zog die Stirn kraus. »Eine was?«
    »Ist ’n hübsches Ersatzwort für Nutte«, sagte Beth, die es von Pen gelernt hatte.
    »Untrössstlich, ein simpler semantischer Lapsssusss.« Johnny neigte den Kopf. »Dann also gewisss Gemahlin.«
    »Weder noch.«
    »Ah.« Johnny Naphthas Lächeln wurde breiter, und Beth kam plötzlich der sonderbare Gedanke, dass dieses Lächeln unzerstörbar war, dass man Johnny Naphtha in einen Schrottschredder stecken könnte und am anderen Ende käme allein sein Grinsen unversehrt wieder heraus.
    »Ich zöge zweifellosss eher den sofortigen Selbstmord vor, als einem solchen Seelchen weiteren Anlasss zur Sorge zu geben«, sagte er sanft. Er machte eine einladende Geste in Richtung der Farbstofffabrik. »Sodann, bitte sehr, tretet ein.«
    Hinter dem Tor der Farbstofffabrik öffnete sich ein Gewirr von Kreuzgängen, deren metallene Wände mit Ozeanen von Rost und Kontinenten von abgestorbenem braunen Moos bedeckt waren. Die Chemische Synode formierte sich im Gehen um Beth, hüllte sie in schwindelerregende Dämpfe. Beim Schnappen der Feuerzeuge durchzuckte sie die beunruhigende Vorahnung eines Feuers. Sie merkte, dass sie sich allmählich benebelt fühlte, und im Stillen fuhr sie sich an, weiterhin auf der Hut zu sein.
    Johnny Naphtha und Filius Viae gingen Seite an Seite voraus und feilschten offenbar um den Preis für ihre Verwandlung. Naphtha senkte den Kopf und lauschte, während Fil ihm beschrieb, was er wollte.
    Beth betrachtete seinen sehnigen Rücken, bemerkte den öligen Schweiß, der ihn bedeckte, die Art, wie seine spitzen Schulterblätter hervortraten. Plötzlich sackten seine Schultern nach unten, und er gestikulierte kurz, wie um zu protestieren, allerdings nur halbherzig.
    Johnny Naphtha zog ein durchsichtiges Fläschchen aus der Innentasche seines Jacketts, und Fil nahm wütend einen langen Schluck –
    So sah es jedenfalls auf den ersten Blick aus, doch die Flüssigkeit in der Flasche wurde nicht weniger; stattdessen veränderte sich ihre Farbe, sie trübte ein. Zögernd gab Fil das Fläschchen an Naphtha zurück, der es ihm aus den Fingern riss und es wieder in seinem Jackett verstaute.
    Willst du wirklich wie ich sein? , hatte er sie gefragt. Darauf gab es nur eine Antwort: zu sein wie er, diesen Ort zu verstehen, so wie er es tat; zu dieser Stadt zu gehören , genau so wie er. Der Gedanke raubte ihr den Atem und verbarg ihn an einem geheimen Platz unter ihrem Herzen.
    »Das ist ja ekelhaft «, sagte Beth. Die mustergültige Suhle war ein Pfuhl aus zähem, öligem Schlamm, umsäumt von geschwärztem Gras. Rundherum lief ein Kettenzaun, und ein rostzerfressenes Schild warnte Eindringlinge:
    ACHTUNG : RÜDER ARM
    Irgendein Witzbold hatte in Schwarz einen Arm daraufgesprayt, der die rüdeste Geste machte, die dem Spaßvogel eingefallen war. Die Mitglieder der Synode gruppierten sich rund um den Tümpel und ließen ihre Feuerzeuge auf- und zuschnappen.
    Fil warf Beth über das Brackwasser hinweg einen Blick zu. »Was ist ekelhaft?«
    »Na das da .« Sie deutete auf den Tümpel. »Der starrt vor Dreck.«
    »Echt?« Er klang überrascht.
    »Du siehst doch, wie verdreckt der ist … «
    Ungläubig starrte er sie an. »Na sicher ist der verdreckt! Was denn – hast du ernsthaft geglaubt, du würdest Kräfte wie meine kriegen, indem du in sauberem Wasser schwimmst? Da könntest du ja auch einfach nach Hause gehen und ’n verdammtes Bad nehmen!«
    »Der Tag, an dem ich von dir ’ne Badeberatung annehme, du Benzinschwitzer «, konterte sie,

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