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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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ihre Erinnerungen daran zu durchleben, wie sie ihr einst Tribut gezollt hatten. Mit einem Wink schickte sie sie zurück in die Tiefe, huldvoll, aber bestimmt: Sie war nicht dort, um bemerkt zu werden. Miauend strich Flink um die Knöchel ihrer Gebieterin, und meine Mutter kraulte sie mit schieferhäutigen Fingern. Dann schlich sie weiter, mit mir im Arm, Seemannslieder gurrend, damit ihr kleiner Fratz still blieb, die Stimme leise genug, dass die Schwingungen in der Luft nicht die Streben der Kräne aufstörten.
    – was? Was? Ich schaff hier bloß etwas Atmosphäre, okay? Sorge fürs ›richtige Flair‹. Willst du, dass ich damit weitermache? Schön. Es ist Nacht. Es ist stockdunkel. Mitten im Feindesland. Die drei schleichen da rum. Es ist riskant. Klar so weit? Toll. ’tschuldige bitte, dass ich versuche, der Sache ’n bisschen Pep zu geben.
    Wie auch immer, also da gibt’s diese längst verlassene Farbstofffabrik, die sich über den Fluss beugt wie ein hungriger alter Mann, der in den Fluten nach Fischen späht. Die Typen, die dort leben, die Chemische Synode, existieren außerhalb des Einflussbereichs meiner Mutter, aber sie hatte schon oft mit ihnen Geschäfte gemacht – Geschäfte zu machen ist der Daseinszweck der Synode.
    Sie hatte mir so viel von ihrer eigenen Kraft verliehen, wie sie konnte, doch um mich Reachs wachsender Macht entgegenzustellen, um ein wahrer Krieger Mater Viaes zu sein, brauchte ich mehr.
    Und sie lächelten ihr ölschwarzes Lächeln und rieben sich ihre tadellos geschmierten Hände. Sie verneigten sich tief, und dann, mit sanfter, höflicher Stimme, nannten sie ihr den Preis.
    Verstehst du, diese Stadt gründet auf einer Menge Dinge: auf Ziegeln und Steinen und Flusslehm, aber darunter, unter alldem, gründet diese Stadt auf Verträgen. Sie sind das wahre Fundament unsrer Stadt, diese ausgeklügelten Abmachungen. Deals sind hier heilig.
    Auf der anderen Seite der Fabrik liegen die chemischen Sümpfe, wo die Abwässer der Docks ins Fleisch der Stadt gesickert sind. Dort befinden sich die Kessel der Synode, Tümpel, in denen sie ihre Experimente zusammenbrauen. Sie setzen flüssiges Chaos an, mit sorgfältig abgewogenen Mengen, gießen es aus rostigen Fässern, würzen es mit weiteren exotischen Zutaten – mit Schädelsplittern der Opfer von Autounfällen oder einigen Tropfen aus einer Phiole mit Regenwasser, das zu Zeiten der Römer durch Londons Rinnsteine floss.
    Und dann, in der Abendkühle, wenn der Pegel der Themse niedrig steht, hocken sie auf ihren Feldern, inhalieren den Dunst der alkalischen Sümpfe und diskutieren in spitzzüngigen Zischlauten, welche Nachfrage es wohl geben könnte für das Gebräu des Tages.
    Diese Männer führten Mater Viae durch ein Tor, dann durch ein zweites, und sie lachten, während meine Mutter über den durchweichten Boden schlitterte und benommen durch die Gasschwaden taumelte. Ihre Hände wurden so taub, dass sie mich fast hätte fallen lassen, und die Angehörigen der Synode streckten die Arme aus, begierig, mich aufzufangen, ihre bisher exotischste Zutat an sich zu bringen. Doch sie hielt mich fester, straffte die Schultern und ging weiter.
    Sie führten sie im Kreis, ließen die Gifte, die sie hier züchteten, tief in ihr Blut dringen, sodass sie völlig geschwächt war, als sie ihr Ziel erreichten: einen unregelmäßigen Tümpel, der schillernd in allen Farben des Regenbogens glänzte.
    Meine Mutter löste die Plakatstreifen, in die sie mich gewickelt hatte. Flink fauchte und legte die Ohren an, drohte der Synode, und die Männer lächelten ihr schwarzes Lächeln, hoben die Hände und traten zurück.
    Dann packte meine Mutter mich, ihr allzu menschliches Kind, beim Knöchel und starrte den Kränen am Horizont ihren Trotz entgegen, während sie mich in den Tümpel tauchte.
    Und was dann, fragst du? Na was schon! Ich hab mich verwandelt . Ich nahm all jene Aspekte der Stadt an, die die Synode gehortet hatte. Mein Schweiß wurde Benzin, um mich noch in den kältesten Nächten zu wärmen. Ich konnte mich fortan geschmeidig bewegen, leise und schnell wie ein Schatten. Meine Wunden würden sich so rasch schließen wie Öl über einem Stein.
    Und da ihr Teil des Handels eingelöst war, forderte die Chemische Synode ihre Bezahlung.
    Es war Gossenglas, die mich gefunden hat, so wie stets. Ihre Tauben entdeckten das Baby inmitten der Sümpfe und trugen sie zu mir. Flink maunzte und fauchte noch immer, um die Synode in Schach zu halten. Glas

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