Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
still, es herrscht eine alles verschlingende Stille.
Jeder von ihnen hält in der ausgestreckten Hand eine Flamme. Wie ein Mann wenden sie mir die Köpfe zu und grinsen mich an.
»Johnny!«, kreische ich –
– dann sinken sechs Flammen hinab auf das benzinglänzende Nass.
Dumpf hörte Beth das sonore Fauchen, als das Feuer über ihr aufloderte. Auch ohne die Augen zu öffnen, ahnte sie, was geschehen sein musste; die Oberfläche des Tümpels war jetzt ein Flammenmeer. Es gab keinen Weg mehr hinaus. Die Flüssigkeit dämpfte zunächst die Hitze, milderte sie zu einer lauen Wärme, doch je länger Beth dort schwebte, umso deutlicher spürte sie, wie das brackige Wasser sich rund um sie aufheizte. Die Schmerzen auf ihrer Haut begannen nachzulassen; vielleicht verödeten allmählich die Nervenenden; vielleicht war sie dabei zu sterben. Das rhythmische Pochen des Blutes in ihrem Kopf war das Lauteste. Das Lauteste, das sie sich jemals erträumen …
Abrupt ließ der Druck auf ihre Schläfen den Gedanken verstummen. Eine sachte Strömung erfasste sie, und sie drehte sich willig darin, rollte sich im Wasser wie ein Krokodil.
Der Druck bedrängte jetzt wütend, unerträglich, ihren Hals, ihre Brust, ihren Kiefer. Mit größerer Trauer als Angst wurde ihr klar: Sie würde den Mund öffnen und das vergiftete Wasser in sich eindringen lassen. Sie war zu schwach für diesen Test, und er würde sie töten.
Das Licht des Feuers traf ihre Lider. Und weil sie nicht blind zu sterben gedachte, öffnete sie die Augen.
»Johnny! Lasst mich – Beth! Beth! «
Doch die Chemische Synode hält mich zurück, eingesponnen in das symmetrische Netz ihrer Arme. Ihre Haut und Kleider sind zu glatt, als dass ich sie von mir wegzerren könnte, und ihr Griff gleicht einem Schraubstock.
» BETH ! BETH! «, schreie ich, so laut ich kann. »Lasst mich los!« Aber sie grinsen bloß ihr scheußliches Grinsen und packen mich fester. Ich bin voller Panik, begreife rein gar nichts. Wir hatten einen Deal . Deals sind heilig!
Vor lauter Schmerz und Verwirrung bemerke ich kaum die Veränderung auf dem Wasser, doch dann fällt mein Blick auf die flackernden Flammen, ihre Spiegelung auf der Oberfläche – einer Oberfläche, die nicht länger ölig schwarz ist.
Sie schimmert silbern.
Silbern. Wieso in Thems’ Namen ist hier alles silbern? Beth schaute sich um. Die Flüssigkeit strömte warm über ihre Augäpfel, versengte sie jedoch nicht. Sie konnte das Feuer sehen, das auf dem silbrigen Wasser tobte und dabei wirkte wie eine Nahaufnahme der Sonne. Ihre Haut war rissig und aufgeplatzt, aber das Wasser drang in die Wunden und die Schmerzen vergingen. Das Wasser heilte ihr Fleisch, glättete die Pusteln zu einer feineren Körnung, ähnlich der Struktur von Beton.
»Wie in Thems’ … ?« Der Gedanke brach ab. Er klang nicht nach ihr; er klang nach ihm .
Schlagartig sah sie ein Bild vor sich: Heftiger Regen über der Stadt, Wasser, das durch Rinnsteine flutet, über Dachrinnen strömt, in der Erde versickert, winzige Stückchen aus London herauswäscht und sie hierherträgt.
Flüssiges Chaos, vermischt mit weiteren exotischen Zutaten.
Hierher, in sie hinein .
Die Hitze des Feuers trieb ihr den Schweiß auf die Haut, und sie spürte, wie die kleinen Tropfen einen Film bildeten, der sie gegen die Wärme schützte. Benzingeschmack stach auf ihren Lippen.
Sie erinnerte sich, wie Fil dem Laternenmädchen seine Hand auf den Arm gelegt hatte. Die Hitze hätte unerträglich sein müssen, doch er hatte offenbar keine Schmerzen gehabt.
Mit den Beinen stieß sie sich ab, auf die Flammen zu.
Plötzlich lockert die Synode den Griff, und ich renne los. Meine Füße pflügen durch den Morast, während ich auf das Feuer zustürme. Ein kurzer Schmerz nur, mehr nicht, dann könnte ich Beth packen, sie herausziehen. Wenigstens würden sie ihre Leiche nicht kriegen.
Als ich gerade das Ufer erreiche, schießt eine Gestalt aus dem Wasser, sackt mit noch züngelnden Flammen im Haar vor mir nieder, würgt literweise Brackwasser aus.
Ich stürze fast über sie, während ich sie mühsam auf den Rücken drehe. Ihre Lunge ist noch immer nicht frei, und ich zerre an ihren schlaffen Armen und schüttle sie wie von Sinnen, brülle wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht ihren Namen: »Beth! Beth! «
Es kommt keine Antwort, und eine scheußliche Gewissheit packt mich: Sie kann nicht antworten. Sudden Death.
Wütend, hektisch fange ich an, auf ihren Brustkorb zu drücken,
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