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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Pollock
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doch sie gibt kein Lebenszeichen von sich. Ich beuge mich über sie, lege ihr das Ohr auf die Brust und höre immer noch nichts. »Oh, Thems«, wispere ich, dann endlich spüre ich eine schwache Regung durch ihren Kapuzenpulli. Ich fuchtele mit den Händen, verpasse ihr fast eine Ohrfeige, als ich ihr ungestüm meine Finger in den Mund schiebe, um ihn zu öffnen. Tief sauge ich chemikaliengeschwängerte Luft in meine Lunge, bereit, sie in sie hineinzuatmen.
    »Bist du etwa dabei, mich zu knutschen, Phyllis ?« Sie keucht die Worte hervor, ihre Lippen kaum ein Atom weit von meinen, zitternd, auch wenn sie sich langsam zu einem Lächeln verziehen.
    Ich richte mich auf, starre sie an. Ihre Haut ist grau, so silbrig grau wie das Wasser, dem sie gerade entstiegen ist: die Farbe von Stahl und Beton. Meine Farbe.
    Ein schmaler Schatten senkt sich auf meine Schulter. »Filiusss.«
    »Ich kapier das nicht.« Wie ein Presslufthammer dröhnen Verwirrung und die Nachwehen des Entsetzens durch meinen Schädel. »Ihr habt sie verbrannt .«
    Johnny Naphtha taucht mich in sein ewiges Grinsen. »Diesss issst eine besondere Feuersssbrunssst«, erwidert er, »eine überausss kossstspielige Dienssstleissstung. Sie begleißßßt und befreit, erschüttert allesss und erschafft allesss neu. Dasss schließßßlich war esss, um dasss du gebeten hassst«, fügt er mit einem gewissen Stolz hinzu. »Die Synode tut stetsss, worum sie gebeten wird.«
    Im nächsten Augenblick wenden er und seine ölglänzenden Brüder sich ab und marschieren in perfektem Gleichschritt zurück zu ihrer Fabrik. »Filiusss«, sagt Johnny, ohne sich umzudrehen, »vergisss nicht, gütlichssst deine Genosssen zu informieren: Die Fasssung unserer Übereinkunft issst hiermit endgültig fessstgeschrieben. Versäumnissse werden keinesssfallsss verziehen.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde wird mir ganz flau im Magen. Symmetrie: Ein jedes Geschäft hat ebenso hohe Kosten wie Nutzen. Die Gleichungen der Chemiker halten stets die Balance.
    »Geleitet euch selbssst gen Ausssgang«, ruft er noch, dann sind sie fort.
    Beth liegt da, die Augen geschlossen, ihre Brust hebt und senkt sich langsam. Dann und wann hustet sie weiteres öliges Wasser. Es ist eine Freude, ihr einfach nur beim Lebendigsein zuzuschauen. Als die Synode wieder in ihrem Kloster aus Kreuzgängen verschwunden ist, lasse ich mich neben Beth fallen. Die Erschöpfung schließt meine Lider. Ich drücke meinen Arm dicht an Beths, und wir liegen nebeneinander, saugen das Sonnenlicht auf.

Kapitel 29
    Feuer. Pechschwarze Ölfäden zitterten zwischen grinsenden Lippen. Eine Feuerzeugflamme, glatt und symmetrisch wie eine Dolchspitze. »Sie begleißßßt und befreit«, sagte eine samtweiche Stimme, »erschüttert allesss und erschafft allesss neu.«
    Beth öffnete langsam die Augen und zuckte zurück. Das Tageslicht war schmerzhaft grell, die Wärme der Sonne machte sie schläfrig.
    Sie spürte den Boden unter sich, fühlte, wie die Stadt sich an ihrer Haut rieb. Sie spürte die Energie, die sich zwischen ihnen aufbaute. Urbosynthese , dachte sie. Ein Lächeln verzog ihr Gesicht, so breit, dass es ihr in den Mundwinkeln wehtat.
    Sie setzte sich auf. Fil lag neben ihr – er sah erschöpft aus.
    Vielleicht sollte ich ihn schlafen lassen. Eine Sekunde lang dachte sie darüber nach, dann brüllte sie: »He, Phyllis, wach auf!«
    Er hob ein Lid. »Ist ’ne verschissen ungnädige Uhrzeit«, grunzte er. »Irgendwie hab ich gehofft, du würdest jetzt endlich einsehen, dass es seine Vorzüge hat, tagsüber zu pennen.«
    »Pennen? Wie soll ich pennen, wenn ich dieses – wenn wir dieses … « Sie rang nach den richtigen Worten; in ihr summte es. Die Energie der Stadt war in ihr, und sie konnte spüren, wie sie in sie hineinströmte. Es fühlte sich an wie an Weihnachten, als sie noch klein war, wenn ihre Mum durchs Haus stapfte und mit gut gelauntem, finsterem Blick die Treppe herunterkam, bepackt mit Stapeln in Zeitungspapier eingeschlagener Geschenke, die sie gekauft hatte von ihrem mickrigen …
    Gekauft.
    Das Wort ließ Beth zusammenzucken. »Fil?«, fragte sie, mit einem Mal voller Sorge. »Was hat das gekostet? Was hat die Synode dafür verlangt, dass sie mich so verwandeln?«
    Stöhnend richtete er sich auf und kratzte sich mit seinem Speer. »Nicht viel, wenn man bedenkt, worum wir sie gebeten haben.« Er gähnte wie ein überdimensionaler zufriedener Kater. »Ich hab denen gesagt, sie sollen dich ’nem Kind Mater

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