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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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fünfundfünfzig Jahren, aber er sah zehn Jahre älter aus. Ein Diener hielt einen Schirm über ihn, um ihn vor dem Nieselregen zu schützen. »Aaah, Sano -san !«, rief der Shōgun. »Yanagisawa -san !« Ein Ausdruck des Entzückens belebte seine bleichen, aristokratischen Züge. »Glückwunsch zu Eurem ... äh, Sieg! Ihr seid ein hervorragendes ... äh, Gespann. Ich glaube, ich habe die richtige Entscheidung getroffen, als ich euch beide gleichzeitig zu meinen ... äh, Kammerherren ernannt habe.«
    Tatsächlich teilten Sano und Yanagisawa sich dieses Amt, das sie beide zu Stellvertretern des Herrschers machte. Einst hatte Yanagisawa das Amt des Kammerherrn allein innegehabt, bis er in die Verbannung geschickt worden war und Sano seine Nachfolge angetreten hatte. Nach seiner Rückkehr war Yanagisawa überzeugt gewesen, er würde wieder in sein altes Amt eingesetzt werden, doch er hatte erkennen müssen, dass Sano inzwischen das Vertrauen des Shōgun besaß.
    Der Shōgun, der nur ungern Entscheidungen traf, wusste nicht, wem von beiden er den Vorzug geben sollte, und so hatte er das Amt zwischen den beiden Männern aufgeteilt - Männern, deren Feindschaft zum Bruch der Regierung führen und Japan ins Verderben stürzen konnte. Deshalb gab es viele Stimmen, die diesen Schritt als die bisher dümmste Entscheidung des Shōgun bezeichneten, der sich ohnehin nicht gerade durch Klugheit hervortat.
    Niemand hätte gedacht, dass der Frieden zwischen Sano und Yanagisawa auch nur einen einzigen Tag halten würde, doch inzwischen war ein Jahr ins Land gegangen. Sano hatte anfangs damit gerechnet, dass Yanagisawa versuchen würde, ihn beim Shōgun in Misskredit zu bringen und die mächtigsten Männer des Regimes gegen ihn aufzuhetzen, um ihn aus dem Amt zu verjagen, doch er sah sich getäuscht. Yanagisawa arbeitete bereitwillig und - jedenfalls dem Anschein nach - gern mit ihm zusammen. Gemeinsam hatten sie die komplizierte Maschinerie des bakufu, der Militärregierung, erstaunlich geschickt geführt.
    Yanagisawa blickte Sano an und hob eine Augenbraue. »Stellt Euch vor, wir hätten schon vor Jahren so gut zusammengearbeitet. Was hätten wir nicht alles erreichen können!«
    Wenn du nicht immer wieder versucht hättest, mich zu ermorden, dachte Sano, und wenn ich nicht ständig damit beschäftigt gewesen wäre, dich mir vom Leib zu halten. Doch er erwiderte: »Zwei Köpfe sind besser als einer.«
    »Ja genau!«, pflichtete der Shōgun ihm bei und nickte eifrig. Er war glücklich, dass seine engsten Vertrauten so gut miteinander auskamen, denn er hasste und fürchtete Auseinandersetzungen. Dass seine beiden Kammerherren Todfeinde gewesen waren und versucht hatten, die Macht über den bakufu an sich zu reißen, wusste der Shōgun vermutlich nicht, zumal Sano und Yanagisawa sich darauf geeinigt hatten, Stillschweigen über ihre einstige Feindschaft zu bewahren, um das empfindliche Gleichgewicht der Macht im Land nicht zu stören.
    Sano vermutete allerdings, dass der Shōgun die Wahrheit ahnte, es aber nicht zugab. In diesem Fall nämlich hätte er drastische Maßnahmen ergreifen müssen, und dazu fehlte dem schwachen Herrscher die Entschlossenheit.
    »Nun, der Spaß ist zu Ende«, sagte Yanagisawa. »Jetzt müssen wir uns wieder an die Arbeit machen, ehrenwerter Kammerherr Sano.«
    »So ist es, ehrenwerter Kammerherr Yanagisawa«, erwiderte Sano.
    Obwohl in den Worten seines Widersachers keine Drohung mitschwang, suchte Sano nach einer unterschwelligen Bedeutung. Das Spiel zwischen ihm und Yanagisawa ging weiter - und er, Sano, hatte die schlechteren Karten.
    Bis jetzt hatten seine Spitzel nicht herausfinden können, was Yanagisawa vorhatte. Alles deutete darauf hin, dass er tatsächlich friedlich mit Sano zusammenarbeiten wollte, statt erneut Kopf und Kragen zu riskieren. Bisher hatte er jedenfalls nicht wieder versucht, Sanos Verbündete auf seine Seite zu ziehen. Außerdem hatte er seinen eigenen Freunden und Verbündeten unter den höchsten Würdenträgern sowie den daimyo, den Provinzfürsten, versichert, er habe nicht die Absicht, den Kampf gegen Sano wiederaufzunehmen.
    Wie es aussah, hatte Yanagisawa die Regeln des Spiels geändert - nur wusste Sano nicht, welche Regeln jetzt galten. Er kam sich vor wie ein Blinder, der in die Schlacht zog, und er konnte nur abwarten, ob und wann Yanagisawa zum ersten Schlag ausholte.
    Die Zuschauer strömten nun vom Übungsplatz, und die Soldaten machten sich auf den Weg in ihre

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