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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht verhören, sondern lediglich nach Istanbul das Ersuchen schicken, ihn zu verhaften. Aber Istanbul und seine Polizei schwieg. Man erfuhr nicht einmal, ob Gürzel in der Türkei eingetroffen war, wie man auch nicht wußte, auf welchem Wege er den Libanon verlassen hatte.
    Laila Husseini wurde begraben wie eine Heldin. Dr. Karabasch, der nicht nach Beirut kommen konnte, weil auf seinen Kopf ein Vermögen gesetzt war, schickte Dr. Ashraf als Vertreter und einen hohen Betrag für die Errichtung eines Grabdenkmals. Sogar eine Ehrenkompanie der libanesischen Armee schoß am Grab Lailas Salut – sie war eine Araberin gewesen, eine Freiheitskämpferin, eine Schwester. Hunderte zogen weinend an der offenen Grube vorbei und warfen Blumen auf den flachen, schmucklosen Sarg. Nur ihre Mütze lag auf dem Deckel, die grüne tarngefleckte Guerillamütze, staubig vom Wüstensand Jordaniens. Ashraf hatte sie mitgebracht und auf den Sarg gelegt.
    »Ich muß Sie sprechen, Hakim-Pascha«, sagte er nach den Feierlichkeiten zu Dr. Vandura. Sie standen nebeneinander am Grab, früher Freunde, jetzt schon durch ihr Äußeres getrennt – Vandura in einem hellgrauen europäischen Anzug, Ashraf in seiner Dschellaba und dem gewürfelten Kopftuch.
    »Sie haben eine Botschaft von Dr. Karabasch?«
    »Ja. Er hat Ihnen den Tod geschworen.«
    »Warum?«
    »Das fragen Sie noch?«
    »Ich habe Laila nicht umgebracht.«
    »Nicht direkt. Aber indirekt. Hätte Laila Sie nicht kennengelernt, lebte sie noch.«
    »Welch eine absurde Schuldkonstruktion! Ich könnte dagegen halten: Karabasch ist schuld. Er hat mich hier in Beirut aufgelesen und nach Jordanien gebracht. Erst durch ihn lernte ich Laila kennen.«
    Dr. Ashraf strich über seinen krausen Kinnbart. Seine dunklen Augen betrachteten Vandura wie ein seltenes Reitkamel. »Sie wissen, daß Karabasch selbst Laila unglücklich liebte?«
    »Ich ahnte es. Wir sprachen nie darüber.«
    »Jeden hätte er getötet, der ihm Laila weggenommen hätte. Nur Ihnen gönnte er sie – diesmal mit einem väterlichen Gefühl für Laila. Beides haben Sie zerstört, Hakim-Pascha: den Liebhaber und den Vater. Das ist mehr als genug für ein Todesurteil.«
    Vandura schwieg. Von seinem Standpunkt aus hat er recht, dachte er. Er denkt als Orientale. Ich wäre ja auch bedenkenlos bereit gewesen, Kemal Gürzel zu töten, wenn ich Laila tot in der Höhle angetroffen hätte. Wir Menschen flüchten uns immer in die Grausamkeit, wenn wir nicht mehr weiter wissen, denn Grausamkeit ist die Stärke der Schwachen. Und Karabasch ist schwach geworden – als Mensch, als Revolutionär, als Politiker. Ihm bleibt nur noch die totale Vernichtung, das Ende aller Diktatoren. Wehe, wenn ich in seinen Untergangsstrudel hineingerate –
    »Wie will er mich umbringen? Sollen Sie seine Hand sein, Dr. Ashraf?«
    »Er hat es mir befohlen. Hier am Grab, gleich nach dem Versenken des Sarges, sollte ich Sie töten. Was wäre einfacher gewesen?«
    »Das stimmt. Und warum haben Sie es nicht getan?«
    »Ich habe den Befehl verweigert. Ich habe Achtung vor Ihnen, Hakim-Pascha. Karabasch hat es schließlich eingesehen – er wird Sie anders in seine Hand bekommen. Das wollte ich Ihnen nur sagen.«
    »Eine Warnung?«
    »Ja. Sie sind erst sicher, wenn Sie in Deutschland sind. Und selbst dort gibt es Landsleute, die dem Befehl Karabaschs gehorchen. Wann fliegen Sie?«
    »Ich weiß es nicht. Aber so schnell wie möglich.« Vandura blickte auf das blumenübersäte Grab. Noch immer zogen Araberinnen und finster blickende Männer vorbei. »Mich hält jetzt nichts mehr im Orient.«
    »Eine Frage noch, Hakim-Pascha.« Dr. Ashraf hielt Vandura am Ärmel fest. Sein braunes Wüstengesicht zuckte. »Haben Sie Laila wirklich geliebt?«
    »Ja, Ashraf.«
    »Und diese Deutsche?«
    »Sie werde ich heiraten.«
    »Eine belügen Sie also –«
    »Nein. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen, Ashraf: Laila war ein Feuer, an dem man sich wärmt, und Katja ist ein Wasser, das einen erfrischt. Beides braucht der Mensch – Feuer und Wasser –, sonst kommt er um.«
    »Ich verstehe.« Dr. Ashraf sah Vandura ernst an. »Aber nun fehlt Ihnen das Feuer …«
    »Das stimmt.« Vandura senkte den Kopf. »Vielleicht werde ich auch frieren –«
    Er ging langsam weg, hinaus aus dem Friedhof, und Ashraf hielt ihn nicht mehr zurück. Sie wird ewig in ihm leben, dachte er. Ein Teil seines Herzens wird eine Wüste bleiben.
    Er trat an das Grab, als er allein war, kniete nieder und küßte den

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