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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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plötzlich. »Ich habe sie also nicht getötet. Doktor, ich habe sie nicht getötet!«
    »Gehen Sie«, sagte Vandura hart. Gürzel hob den runden Kopf.
    »Was soll ich?«
    »Gehen. Irgendwohin. Nur weg von hier. Wenn sie die Augen wirklich aufschlägt, soll sie Sie nicht sehen. Fahren Sie mit den Sonderbussen des Sinfoniekonzertes zurück nach Beirut.«
    »So wie ich aussehe?«
    »Das ist Ihre Sache. Gehen Sie endlich …«
    Gürzel erhob sich, zog seine nassen Schuhe an, streifte das wassergetränkte Hemd über und wollte noch etwas sagen. Aber Vandura winkte ab. Kemal Gürzel nickte, drehte sich um und verschwand mit schleppenden Schritten zwischen den Ruinen von Baalbek.
    Vom Venustempel erklang neue Musik. Ein Schwall von Tönen voller Melodik und sehnsüchtiger Träumerei. Chopin. Klavierkonzert Nr. 1. Musik, die sich mit dem Himmel verband.
    Das Herz schlug schneller und kräftiger. Vandura spürte es unter seinen Händen, und als er Laila noch einmal abhorchte, war der Herzton voller und lebensnah.
    Er richtete sich auf, klemmte die Bügel des Stethoskops hinter den Nacken und regulierte die Zufuhr des reinen Sauerstoffes. Die Flasche war fast leer. Als er Laila anblickte, sah er, daß sie die Augen geöffnet hatte. Es warf ihn zurück wie ein Fauststoß.
    »Laila!« rief er und schob beide Hände unter ihren Kopf. »Laila, hörst du mich? Schließ die Augen, wenn du mich verstehst! Laila …«
    Die Lider senkten sich. Sie verstand ihn, aber die Kraft zu antworten war nicht mehr in ihr.
    »Du bist gerettet«, sagte Vandura nahe an ihrem Kopf. Er schob die Sauerstoffmaske weg und küßte Lailas kalte, farblose Lippen. Ein Lächeln erschien in ihren Mundwinkeln, ein trauriges, abschiednehmendes Lächeln. »Du wirst gleich nach Beirut gebracht, und ich bleibe bei dir, bis du ganz gesund bist. Das verspreche ich dir.«
    Ihre Augen blickten ihn wieder an, müde und ohne Lebenskraft. Dann klaffte plötzlich ihr Mund auf, und deutlich, mit einem Atemstoß, der ganz aus der Tiefe hervorquoll, sagte sie: »Hakim –«
    Darauf fiel sie zusammen, Blässe breitete sich unter ihrer braunen Haut aus, sie wurde fahl und plötzlich glanzlos. Vandura starrte sie entgeistert an. Er begriff es nicht, er wollte es nicht begreifen, sein nüchterner Arztverstand weigerte sich einfach, es anzuerkennen: Sie war tot.
    Wie ein Besessener kämpfte er gegen einen Feind, der längst gesiegt hatte. Er injizierte drei neue Spritzen, er massierte wieder das Herz, er pumpte den letzten Sauerstoff in einen Brustkorb, in dem das Herz für immer schwieg, und er wollte es noch immer nicht wissen, daß mit seinem, mit diesem letzten großen Atem Lailas ganze Kraft aus dem Körper gedrungen war.
    Eine Stunde später erst gab er den sinnlosen Kampf auf und legte sich neben die Tote ins Gras. Er zog sie an sich, legte den Arm um sie und starrte in den sternenübersäten Himmel.
    Es war, als hätte sich nichts geändert. Das Schweigen der Wüste, die Unendlichkeit der Nacht – und neben ihm Laila, eng an ihn gedrückt, und seine Hand lag auf ihrer Brust –
    Ein Abschied vom Zauber einer grenzenlosen Liebe.
    Der Tod Laila Husseinis machte noch einmal Schlagzeilen in der Weltpresse. Wieder war der Name Hakim-Pascha Mittelpunkt großer Berichte, das Fernsehen berichtete darüber, und Bernd Zobel setzte auf Redaktionskosten ein Telegramm von fünfzehn Seiten ab. Es kam noch so rechtzeitig, daß man in München den Satz des aktuellen Teiles der Illustrierten ›Globus‹ hinauswarf und den Sonderbericht Zobels hineinnahm. Zum erstenmal gelang es damit dem ›Globus‹, schneller als seine amerikanischen Kollegen zu sein. »Der Zobel ist zwar ein Spinner«, sagte der Chefredakteur in der schnell zusammengerufenen Redaktionskonferenz, »und er kostet uns eine Stange Geld – aber wenn er einmal am Ball ist, kann sich mancher von uns eine Scheibe von ihm abschneiden. Ich wette, der Junge wird jetzt teuer –«
    Die gleiche Ansicht hatte Zobel selbst. »Wir sind quitt, Doktor«, sagte er in seiner unnachahmlichen Art und klopfte Dr. Vandura auf die Schulter. »Ich habe dafür gesorgt, daß Sie wieder nach Deutschland kommen können – Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, eine große Nummer unter den Reportern zu werden. Hätten wir uns nicht getroffen, wäre unser Leben ein Mist gewesen – Sie in der Wüste, ich als gehetzter Schreiber dauernd auf der Achse. Wir sollten uns gegenseitig dankbar sein.«
    Kemal Gürzel blieb verschwunden. Man konnte ihn

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