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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es erst jetzt, wo eine Hand die Decke wegzog und seinen nackten Körper der Morgenkühle preisgab. Er ergriff die Decke sofort wieder und breitete sie über Laila aus. Der Verband, der ihre Rückenwunde schützte, zog sich unter den Brüsten hin wie ein hochgerutschter weißer Gürtel.
    »Kommen Sie wieder in die Welt zurück, Hakim-Pascha«, sagte eine laute Stimme neben ihm. Vandura fuhr herum.
    Dr. Karabasch. Er stand neben dem Bett und sah ernst auf ihn hinunter. Unwillkürlich zog Vandura die Decke über Laila höher. Karabasch lächelte schwach.
    »Ich weiß, Sie sind ein Gentleman, Hakim-Pascha«, sagte er mit einem spöttischen Beiklang. »Aber ich kenne Laila schon, als sie nackt im Sand spielte wie alle Kinder. Sie hat sich natürlich verändert – aber für mich ist sie immer das Kind. Verstehen wir uns? Lassen Sie sie schlafen … Sie muß ich aber bitten, sofort aufzustehen und mitzukommen. Seien Sie leise, wecken Sie Laila nicht – Ihre Beruhigungstherapie hat Erfolg, wie ich sehe, und Laila braucht jetzt Ruhe. Kommen Sie mit …« Karabasch verließ das kleine Zimmer fast auf Zehenspitzen. Vandura zog sich schnell an und schlich ebenfalls hinaus. Noch einmal blickte er an der Tür zurück. Laila dehnte sich etwas im Schlaf, reckte sich, ihr rechtes Bein streckte sich aus der Decke. Ich liebe sie, dachte Vandura. Sie ist das schönste Wesen aus einer anderen Welt, und diese andere Welt wird nun auch meine neue Welt sein. Vorsichtig zog er die Tür hinter sich zu. Er ahnte nicht, daß er damit diese neue Welt für immer verschloß.
    Dr. Karabasch wartete im Flur. Er trug über seiner Rebellenuniform die weiße, lange, weite Dschellaba und um den Kopf ein kariertes Tuch mit dem Stirnband der Beduinen. Er sah aus, als käme er gerade von einem Ritt aus der Wüste. Sein Gesicht, das sah Vandura erst jetzt, war staubüberzogen und sehr ernst.
    »Kummer, mein Liebster?« fragte Vandura leichthin. »Macht die Revolution Kopfzerbrechen? Bruderkrieg ist immer eine saure Sache, Sie hätten sich darauf nicht einlassen sollen. Auch Revolutionen, bei denen nur ein paar hundert mitmachen, sind totgeborene Kinder. Halt, führen Sie nicht Fidel Castro als Gegenbeweis an – erstens sind die Zeiten heute anders, zweitens sind Sie kein Südamerikaner, drittens steht hinter Ihnen nicht Moskau, und viertens hatten die Kubaner keinen König, den sie liebten, wie die Jordanier ihren Hussein. Einmal mußte die Zeit kommen, wo auch Ihnen das Wasser bis zum Halse steht.«
    »Irrtum, Hakim-Pascha.« Karabasch lächelte säuerlich. »Erstens machen nicht einige hundert mit, sondern das halbe Volk, zweitens war Castro nie mein Vorbild, sondern mein Vorbild bin ich selbst, drittens bekommen wir die Waffen und Ausrüstung von Rußland und China über den Weg unserer Freunde an der Küste, und viertens ist der kleine König weniger beliebt, als man draußen denkt. Ihn stützen nur die Feudalherren und seine Beduinentruppen, ihn stützt das Geld aus dem Westen – aber was in den palästinensischen Flüchtlingslagern seit Jahren dahinvegetiert, das ist eine explosive Macht, vor der eines Tages auch Hussein in die Knie geht. Aber ich habe sie aus Lailas Armen wegen einer anderen Sache geholt: Pierre Nolet geht es schlecht.«
    »Ich kenne keinen Pierre Nolet.«
    »Der Franzose aus der ersten entführten Maschine. Sie erinnern sich … Sie stellten ihn mit Injektionen wieder auf die Beine, bevor Sie die sagenhafte Kaiserschnittentbindung im Flugzeug machten. Pierre Nolet … na, erinnern Sie sich?«
    »Jetzt ja.« Vandura nickte. Der Mann, der nach Luft rang, dem man nur noch Stunden gab und der doch alles bis jetzt überlebte – die Tage in der glühenden Maschine, die Sprengung des Flugzeuges, den Transport durch die Wüste zu dem geheimen Versteck, die Rückkehr nach Amman. Jetzt lag er also im Hotel Philadelphia und kämpfte wieder gegen sein müdes Herz. »Ein neuer Herzanfall?«
    »Sehr ernst. Flugkapitän Perkins und der Pfarrer McClean haben mir am Telefon seinen Zustand als katastrophal geschildert. Nur Sie könnten noch helfen. Meine Bitte: Fahren wir sofort zum Hotel.«
    »Ich bin kein Wunderdoktor.« Vandura lehnte sich an die gekalkte Flurwand und suchte in seinen Taschen nach einer Zigarette. Karabasch holte eine Packung aus seiner Uniform und reichte sie Vandura. »Das Herz eines so kranken Menschen wie Nolet hat seine Belastungsgrenze längst überschritten. Wäre das Flugzeug nicht von Ihnen entführt worden, säße

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