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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zusammen.
    »Zeigen Sie Ihre Kunst, Monsieur Chambart. Machen Sie aus mir Pierre Nolet.«
    »Bravo –« rief Perkins und streckte beide Hände nach Vandura aus. »Nun werden wir doch noch den Rebellen ein Schnippchen schlagen …«
    »Nein.« Vandura hob die Hand. »Nicht dieses Triumphgeheul. Ich habe diese aus ihrem Elend stark werdenden Menschen lieben gelernt. Ich komme nur mit, weil ich in meinem früheren Leben größere Aufgaben sehe. Nur darum. Und ich werde nicht müde werden, die Probleme dieser Menschen hier der satten Welt vorzuhalten.«
    »Jetzt redet er selbst wie ein Revolutionär«, rief jemand im Zimmer und lachte gequält. »Revolution muß eine verdammt virulente Sache sein.«
    »Wir sind alle Menschen«, sagte Vandura ernst. »Und jeder hat ein Recht zu leben – wie ein Mensch, nicht wie ein wildes Tier.«
    Die Umwandlung Vanduras in Pierre Nolet war ein Meisterstück des Theaterfriseurs Chambart. Während Perkins und McClean die Möglichkeiten auskundschafteten, die Leiche würdig, aber heimlich zu begraben, saß Vandura neben dem aufgedeckten Toten und veränderte sich von Minute zu Minute.
    Schweigen lag im Raum. Die noch anwesenden Männer rauchten wortlos und sahen der Verwandlung zu. Die beiden Stewardessen hatten das Zimmer verlassen, als Chambart darauf bestand, den Toten aufzudecken.
    »Ich muß sein Gesicht doch sehen«, sagte er. »Auf die Feinheiten kommt es doch an. Wer ein zartes Gemüt hat, muß 'rausgehen. Also –«
    Vier Männer und die beiden Mädchen flüchteten hinunter in die Halle. Dort ließ sich Karabasch fotografieren, beantwortete Fragen, hielt eine kleine Revolutionsrede für die Rundfunkanstalten. Er unterbrach seine Pressefreundlichkeit, als er Pfarrer McClean die Treppe hinunter kommen sah.
    »Kam Hakim-Pascha zur richtigen Zeit?« fragte er vorsichtig. Hier in der Halle wußte noch niemand von Nolets Erkrankung.
    »In der letzten Minute.« McClean lächelte sauer. »Er bemüht sich um ihn. Wollen Sie Vandura wieder mitnehmen?«
    »Muß er länger bleiben?«
    »Ich fürchte ja. Er sagte etwas von einer Infusion. Ich kenne mich da nicht aus. Außerdem hat er geäußert, daß er bis zum Abtransport der Passagiere bei ihm bleiben will.«
    »Er hat also Erfolg?« Die Stimme Karabaschs bekam einen unterdrückten Jubelton.
    »Ja, es ist alles erfolgreich«, sagte Pfarrer McClean und log dabei nicht einmal.
    Zufrieden kehrte Karabasch zu den Reportern zurück.
    Perkins war es, der für Nolet ein anständiges Grab fand. Im Park des Hotels, dessen Außenmauern nur bewacht wurden, lag ein kleiner Hain aus Rosensträuchern und Zwergpinien, ziemlich abseits, von dem Hotelgärtner mehr als Abschluß des Parks angelegt als zu sonst einem Zweck. Hierhin kamen selbst nur entdeckungsfreudige Hotelgäste – das Leben spielte sich meist auf der Sonnenterrasse und um den Swimming-pool ab. Bei vierzig Grad Hitze macht niemand einen Schritt zuviel.
    Hier hoben im Schutze der Sträucher vier Mitglieder des entführten Flugzeuges ein Grab aus. Das ging nicht ohne Einweihung des Obergärtners ab, der nicht wie seine Kollegen geflohen war, sondern im Hotel sich zwischen seinen Geräten verkrochen hatte. Er lieh Hacke und Spaten aus und half dann mit, den toten Pierre Nolet durch das Angestelltentreppenhaus und den Keller hinaus in den Park zu tragen. Er kassierte für diesen Dienst und sein Schweigen 500 jordanische Dinare. Ungläubig starrte er den Schatz an – es war der Verdienst seines Lebens, er war ein reicher Mann geworden durch ein einziges Grab. »Allah schütze euch«, rief er und küßte die Hand von Perkins, der das Geld überbracht hatte. »Möge er uns allen noch viele solche Tote bescheren …«
    Das Begräbnis vollzog sich schnell. Pfarrer McClean sprach die Gebete und bat Gott noch einmal um Nachsicht, daß man Pierre Nolet hier begrub und seinen Namen zur Rettung eines anderen benutzte. Als wolle das Schicksal es bestätigen, dröhnten von der King Talal Street wieder die Geschütze der Königstruppen. Über die Straße jenseits der Parkmauer rasselten die Ketten eines Panzers. Rufen und Schreien unterbrach dann die nach dem Feuerüberfall lähmende Stille. Irgendwo mußte ein Volltreffer eingeschlagen haben. Die Sirene eines Lazarettwagens gellte durch die heiße Luft.
    »Du, Herr im Himmel, überblickst alles«, sagte McClean mit zitternder Stimme. »Die guten Taten und die schlechten. Werte unsere als gut, wir bitten Dich darum. Und laß unseren Bruder Nolet eingehen

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