Der Wuestenplanet - Paul Atreides
Kenntnis. Wie sehr er sich verhärtet hatte! Wie brutal, stählern und unbeugsam er geworden war! Vielleicht waren das angemessene Eigenschaften für den verehrten, gottgleichen Führer einer Galaxis ... aber nicht für ein menschliches Wesen. Sie konnte nicht anders, als Verbitterung zu empfinden.
In den Berichten hieß es, dass ihr Vater vor Kummer laut geweint hatte, als ihn die Nachricht von Rugis Tod erreicht hatte. Möglicherweise hatte er die Leute mit seinen Krokodilstränen getäuscht, aber auf jeden Fall hatte er sich Sympathien verschafft. Der arme Shaddam hatte pflichtschuldig seine jüngste und »meistgeliebte« Tochter zur Teilnahme an der Großen Unterwerfungszeremonie geschickt, und Muad'dib hatte zugelassen, dass sie getötet wurde! Es war zweifellos sehr gerissen von ihrem Vater, diese Tragödie zu nutzen, um sich neuen Auftrieb zu verschaffen und sie möglicherweise als Hebel für einen erneuten Griff nach der Macht zu verwenden.
Die Corrino-Prinzessin hatte den Verdacht, dass er bereits Botschafter entsandt hatte, die Graf Thorvald suchen und den Bruder des Vaters seiner »geliebten, aber bedauerlicherweise verlorenen« fünften Frau Firenza an alte Familienverbindungen erinnern sollten. Irulan vermutete, dass er damit vielleicht sogar Erfolg haben könnte, zumindest vorübergehend.
Wieder einmal brachte Irulan ihre Gefühle unter Kontrolle und setzte das bei der Schwesternschaft Gelernte ein, um eine innere Entschlossenheit zu finden, die es ihr gestattete, ihre widersprüchlichen Rollen miteinander in Einklang zu bringen. Man gewährte ihr keinen direkten Einfluss auf die Regierung. Sie war keine echte Ehefrau. Und sie war nicht Pauls Geliebte.
Aber sie war trotzdem seine Frau – und die Tochter eines Imperators.
Paul kannte ihren Wert, von ihren schriftstellerischen Fähigkeiten bis hin zu ihrem Wissen über Politik. Sie hatte die Niederschrift der Prüfungen, die er als Junge im Assassinenkrieg durchgestanden hatte, beinahe abgeschlossen, und wie Scheherazade würde Irulan sich auch weiter unentbehrlich machen. Seine Anhänger verschlangen jeden flüchtigen Blick auf seine Lebensgeschichte, seine Philosophie und seine Zukunftsvisionen für sie, den Wüstenplaneten und alle bewohnten Welten. Schließlich war seine Mutter eine Bene Gesserit, und er wusste sehr genau, welchen Wert die Mythenbildung hatte.
Irulans Gemächer mit den dazugehörigen Büros, dem Solarium und dem Trockengarten waren explizit darauf ausgelegt worden, ihrem Schreiben förderlich zu sein. Sie hatte viel Licht und Meditationsbereiche, konnte sich ohne Unterbrechungen konzentrieren und hatte Sekretäre zur Verfügung, wann immer sie welche brauchte. Auf Muad'dibs Befehl hin brachte man ihr historische Aufzeichnungen. Freunde des Hauses Atreides, Augenzeugen bestimmter Ereignisse und sogar ehemalige Rivalen wurden nachdrücklich dazu ermutigt, der Prinzessin jeden Wunsch nach einem Gespräch zu gewähren.
Irulan versprach sich, dass sie eines Tages auch die Geschichte ihrer eigenen Erziehung im Imperialen Haushalt erzählen und einen Weg finden würde, dem Tod der armen Rugi Bedeutung zu verleihen. Mit jedem verstreichenden Tag rückte das Manuskript der Fertigstellung näher ...
Drei Fedaykin-Wachen marschierten in den Wintergarten, in dem sie an einem kleinen Tisch saß, umgeben von Shigadraht-Spulen und einem Lesegerät, Filmbüchern und sauberem Gewürzpapier, auf dem sie sich Notizen machte. Sie blickte auf und stellte überrascht fest, dass Paul höchstpersönlich zu ihr gekommen war.
Abgesehen von den schweigenden Wachen hatten sie keine Zuhörer, deshalb sah sie keinen Anlass, übertrieben förmlich zu sein. »Mein Gatte, es ist recht ungewöhnlich, dass du beschließt, mich in meinem Privatflügel zu besuchen.«
»Ich habe das, was du schreibst, zu wenig beachtet«, sagte er mit einer Stimme, die so kalt wie die Klinge eines Sardaukar-Dolchs war. »Es herrscht große Unruhe, und ich warte ungeduldig darauf, dass du das nächste Kapitel meiner Geschichte freigibst. Dennoch muss ich vorsichtig mit deinen Veröffentlichungen sein. Diesmal werde ich es genauer lesen.«
»Um es zu zensieren?« Sie gab sich beleidigt, obwohl sie nie damit gerechnet hatte, ihre Arbeit ohne Einmischung fertigzustellen.
»Um es zu lesen. Du weißt sehr genau, was du sagen sollst und was nicht. So weit vertraue ich dir.«
Paul stand wartend vor ihr, alles andere als entspannt, während Irulan umgeben von den Hilfsmitteln für
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