Der Wuestenplanet - Paul Atreides
sie mit echten Waffen ausgestattet. Der Graf tätschelte Marie den blonden Haarschopf und überreichte ihr einen Dolch. »Mehr dürftest du ja nicht brauchen, hmmm?« Er bückte sich, um sie auf die Stirn zu küssen.
»Mehr brauche ich nicht.«
Margot küsste ihre Tochter auf die Wange und schickte sie dann in die Arena. Die muskulösen, ausgewachsenen Soldaten standen Marie gegenüber und betrachteten sie voller Unbehagen und Verwirrung, während die Tür versiegelt wurde, damit die Zuschauer draußen blieben.
»Jetzt«, sagte Margot mit der unerbittlichen Befehlsgewalt der Stimme, »löscht alle Lichter. Sie wird in völliger Dunkelheit kämpfen.«
»Hmmm-ah, ja«, stimmte Fenring mit funkelnden Augen zu. »Das dürfte eine noch viel größere Herausforderung sein.«
Der Graf konnte sehen, dass Bashar Garon über die hektische Aufregung beunruhigt war, die man aus der Kampfarena hören konnte – Pfeile zischten und Waffen schlugen aufeinander, Rufe der Verblüffung und des Schmerzes erklangen von den Ghola-Kämpfern. Mehrere starben schreiend. Die Dunkelheit blieb undurchdringlich.
Fenring lächelte still und ergriff Margots Hand, die auf ihrem Schoß lag. Er spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Nur ein bisschen kontrollierte Gewalt«, sagte Fenring zu dem Sardaukar-Kommandanten, als wollte er Garons Bedenken zerstreuen.
»Aber es sind so viele, und sie ist so klein«, sagte der Bashar.
Weitere Schreie ertönten von den Männern, und dann wurde es unheimlich ruhig. Dreißig Sekunden später gingen die Lichter wieder an.
Im Raum stand Marie und schaute zum Zuschauerbereich hinauf. Zu ihren Füßen lagen reglose Körper – die besten Kämpfer, die die Tleilaxu aufzubieten hatten. Irgendwann hatte sie sich ihres Dolches entledigt. Das Mädchen war an Händen, Füßen und im Gesicht mit Blut bespritzt. Graf Fenring bemerkte fasziniert, wie klein und unschuldig sie immer noch wirkte. Er hätte nicht stolzer sein können.
»Erstaunlich«, sagte Garon.
»Eine Verschwendung unserer besten Gholas«, fügte Dr. Ereboam verbittert hinzu.
»Vielleicht sollten Sie besseres genetisches Ausgangsmaterial verwenden«, erwiderte Lady Margot mit einer Spur Sarkasmus.
Fenring beobachtete, wie die anderen Tleilaxu-Meister sich in ihrer kehligen Geheimsprache berieten. Es interessierte ihn nicht, was sie redeten. Ihre Körpersprache verriet genug.
Marie hatte mit tödlicher Präzision funktioniert und dabei alles von ihr Gelernte synthetisiert. Mit schaudernder Erregung fragte er sich, ob das Mädchen vielleicht sogar in der Lage wäre, ihn zu besiegen. Fenring drehte sich zu seiner Frau um und sah, dass in ihren Augen ungeweinte Tränen glänzten. Freudentränen, dachte er.
Er sagte: »Sie ist bereit.«
72
Eine niedergeschriebene »Tatsache« wird als wahrer aufgefasst als verbale Gerüchte oder Hörensagen, aber physische Dokumente sind nicht unbedingt genauer als der Bericht eines tatsächlichen Augenzeugen.
Gilbertus Albans, Mentaten-Diskurse zur Geschichte
Die Wucht der Gewalt im Himmlischen Audienzsaal hatte das Imperium taumeln lassen, und die Wutreaktionen des Volkes manifestierten sich in zunehmend tödlichen Plünderzügen auf neuen Planeten. Die Djihadis forderten in Muad'dibs Namen Vergeltung, und viele unschuldige Bevölkerungen zahlten den Preis.
Noch viel schlimmer war, dass Irulan zusehen musste, wie Paul wegschaute, statt dem ungerechten Blutvergießen Einhalt zu gebieten.
Niemand, der etwas zu sagen hatte, interessierte sich auch nur im Geringsten für den Tod ihrer Schwester. Rugi war lediglich ein Name auf einer Liste von Opfern, und kaum jemand nahm zur Kenntnis, dass sie die jüngste Tochter des Padischah-Imperators gewesen war, eines Mannes, der einst als »Herrscher über eine Million Planeten« bezeichnet worden war. Im Rampenlicht der Geschichte standen einzig und allein Muad'dib und die kontinuierlich zunehmende Gewalt, die ihn umgab. Das Haus Corrino war zu einer Fußnote der Geschichte geworden ... genau das, was Schwertmeister Bludd nicht hatte sein wollen.
Doch Irulan konnte die Erinnerung daran, wie sie die Leiche ihrer Schwester im Arm gehalten hatte, nicht verdrängen, und sie gestattete sich einen Anflug von Hass auf Paul, weil ihr Kummer ihm gleichgültig gewesen war. Weil er ihn nicht einmal bemerkt hatte.
Da er mit seinen neuen Strafmaßnahmen und verschärften Sicherheitsvorkehrungen beschäftigt war, nahm Paul ihre Welt der Schmerzen nicht zur
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