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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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verfassungsmäßig verbriefte Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu entscheiden, in welchem Winkel der Welt sie sich auch befinden mochten.
    Die Kantonsvertreter sagten, dass sie ihrerseits das Recht hatten, einen Massenselbstmord auf eigenem Gebiet zu verbieten, das müsse der Oberst begreifen. Sie fügten noch hinzu, dass die Finnen ihrer Meinung nach vollkommen verrückt seien.
    Der Oberst erinnerte die Männer an die Schweizer Ge­ schichte. Zu Beginn des Jahrtausends hatte die gesamte damalige Bevölkerung ihre Behausungen verbrannt, war von den Bergen heruntergekommen und nach Süden gewandert. Es waren insgesamt 370.000 Menschen gewesen, und sie hatten die Absicht gehabt, sich ein neues, besseres Siedlungsgebiet zu suchen. Sie waren auf das Gebiet des heutigen Italien gelangt. Die römi­ schen Legionen hatten die reisenden Massen jedoch schnöde zur Umkehr gezwungen. Die Heimkehr war bestimmt unerfreulich gewesen, da man beim Aufbruch alle bewohnbaren Häuser vernichtet hatte. Vor diesem Hintergrund hielt der Oberst es für unangemessen, dass ausgerechnet Schweizer die Finnen belehren wollten, was klug war und was nicht.
    Daraus hätte sich fast ein Streit entwickelt, doch es kam nicht dazu, denn durch den stillen Abend des Alpendorfes gellte plötzlich ein markerschütternder Schrei. Das Echo warf ihn von den Hängen und Pässen der Berge zurück. Die Stimme war so schaurig, dass die Männer des Kantons auf die Knie fielen und beteten. Dies war ihrer Meinung nach das letzte Zeichen. Auch den Finnen hatte der Schrei einen Schrecken eingejagt.
    Bald kam jemand im Laufschritt ins Lager und brach­ te die Botschaft, dass ein Finne in eine nah gelegene Schlucht der Rhone gestürzt war, Hunderte Meter tief. Man brauchte Männer, um die Leiche zu bergen.
    Im Posthotel bekamen die Finnen eine Trage. Die Ein­ heimischen zeigten ihnen einen Pfad, der in die Schlucht führte. Im Schein der Taschenlampe tasteten sie sich hinunter. Von oben riefen ihnen die Augenzeugen des Unfalls Ratschläge zu, wo sie das Opfer suchen sollten. Nach einiger Zeit fanden sie den Unglücklichen, es war der Kapitän zu Lande, Mikko Heikkinen. Tot wie ein Ankerstein. Sein Rückgrat war gebrochen, aber die Weinflasche in seiner Hand war wie durch ein Wunder heil geblieben. Die Zeit der Wunder war doch nicht vorbei.
    Die Leiche wurde auf die Trage gelegt und auf die Ter­ rasse des Posthotels gebracht. Es gab keinen Arzt im Dorf, aber was hätte ein Arzt hier noch ausrichten kön­ nen. Tot ist tot. Jarl Hautala kam aus seinem Zimmer herunter, um sich seinen toten Freund anzusehen. Er legte ihm die Hände auf die Brust und drückte ihm die Augen zu. Helena Puusaari löste die Weinflasche aus seiner Hand. Es war ein gerade geöffneter Riesling von 1987, ein guter Jahrgang. Der erste Schluck war ge­ trunken, in diesem Falle auch der letzte.
    Der Oberst sagte den Vertretern des Kantons, dass er es angesichts dieser traurigen und überraschenden Wendung für seine Pflicht halte, die Pläne seiner Gruppe zu ändern. Der Massenselbstmord werde nicht in Mün­ ster verübt, diesbezüglich konnten die Herren also ruhig schlafen. Er erklärte, dass in Finnland bei einem Todes­ fall stets die Spiele abgesagt wurden, von welcher Art sie auch sein mochten.
    Jarl Hautala schlug den Anonymen Sterblichen vor, mit Korpelas Bus über Frankreich und Spanien nach Portugal zu fahren.
    »Warum bis dorthin?«, stöhnte Korpela. Er sah sich schon wieder tagelang sinnlos herumfahren.
    Hautala sagte, ihm sei eingefallen, dass in Portugal an der Südwestspitze der Provinz Algarve der Cabo de São Vicente liege, auch das »Kap am Ende der Welt genannt«, weil die bekannte Welt einst an dieser Spitze geendet habe. Es sei der südwestlichste Punkt Europas. Er habe Ansichtskarten von diesen schwindelerregend steilen Klippen gesehen. Wenn sich die Gruppe im Bus von dort oben ins Meer stürzen würde, so bedeutete das den sicheren Tod, meinte er.
    Hautala versprach, sich um die Leiche des Kapitäns zu kümmern, die anderen sollten tatsächlich lieber diese unglückliche Gegend verlassen und nach Portugal, an den sonnigen Strand des Atlantik, fahren.
    Der Oberst entschied:
    »Morgen früh sechs Uhr, gleich nach dem Frühstück, Abbau des Lagers und Abfahrt.«
    Die Männer des Kantons knieten neben der Leiche nieder, falteten die Hände und hoben den tränenden Blick zum sternklaren Himmel. Sie dankten dem gnädi­ gen Gott dafür, dass die finnische Reisegesellschaft

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