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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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sterben?«, fragte der Oberst.
    Während sich die anderen am Ufer vergnügten, zog sich Rentiermann Uula Lismanki nachdenklich in den Bus zurück. Er suchte sich die Betriebsanleitung und setzte sich hinter das Lenkrad, um sie zu studieren. Uula wollte lernen, Bus zu fahren. Er spürte, dass er gerade jetzt diese Künste brauchte.
    Die Broschüre hatte fünfzig Seiten. Uula hatte nie etwas anderes als einen Motorschlitten gefahren, sodass Studien erforderlich waren, wenn er den komplizierten Luxusbus in Gang bringen wollte.
    Am Armaturenbrett befanden sich fast dreißig Anzei­ gen. Es dauerte seine Zeit, ehe Uula begriff, zu welchem Zweck im Fahrzeug zum Beispiel ein Schalter für die Achsentlastung war. Auch die Bremsdruckmesser für das vordere und hintere Bremskreissystem mussten studiert werden. Der Zündschlüssel steckte, aber den Motor zu starten war nicht ganz einfach. Zunächst musste alles über die Bremsen und die Gänge gelernt werden. Das Fahrzeug hatte eine zehnstufige Gangau­ tomatik.
    Zwei Stunden lang studierte Uula Lismanki mit ge­ furchter Stirn die Anleitung. Von der Festungsruine tönten der vergnügte Lärm und der Gesang der Gruppe herüber. Einige Mitglieder waren so ausgelassen, dass sie auf der großen, mit Steinplatten bedeckten Kom­ passrose aus der Zeit Heinrichs des Seefahrers tanzten. Uula fühlte sich von so viel Heiterkeit abgestoßen. Er setzte seine Lektüre fort.
    Endlich war der Rentiermann so weit, dass er aus­ probieren konnte, ob sich der Bus in Bewegung setzen würde. Er verfuhr, wie in der Betriebsanleitung angege­ ben: Er prüfte, ob die Handbremse gezogen war, stellte den Schalthebel der Gangautomatik auf die Fahrposition N und drückte das Handgas hinein. Dann drehte er den Zündschlüssel auf die Position 1 und betätigte den Stromschalter. Er überprüfte, ob die Kontrolllämpchen des Öldruckes, der Batterieladung und der Standbremse leuchteten. Jetzt konnten mit dem Zündschlüssel die vierhundert PS des Motors zum Leben erweckt werden. Die Kontrolllämpchen des Öldrucks und der Batteriela­ dung erloschen. Der Motor sprang an.
    Uula Lismanki drehte am verstärkten Lenkrad, trat aufs Gaspedal und ließ die Kupplung kommen. Mit dampfenden Reifen fuhr der Bus an. Der Motor be­ schleunigte gut, die Nadel des Tachos bewegte sich deutlich nach oben. Das Fahrzeug schoss an den tan­ zenden Sterblichen vorbei. Diese hielten wie gelähmt inne und starrten auf ihren dahinrasenden Bus, hinter dessen Lenkrad mit wilder Miene Rentiermann Lismanki saß. Uula winkte zum Abschied und ließ den Bus dann mit Vollgas an der uralten Festungsruine vorbei zum Abhang in Richtung Westen und Atlantik sausen. Der Luxusbus durchbrach die stählerne Absperrung und schoss mit heulendem Motor mindestens hundert Meter durch die Luft. Dann schlug er auf den Wellen auf, ein Geräusch wie von einer Explosion war zu hören. Er kippte auf die Seite, die Lichter erloschen, und schließ­ lich begann der Bus zu sinken wie ein Schlachtschiff, das von einem Torpedo getroffen worden ist.
    Die Anonymen Sterblichen rannten zum Rand des Abhangs, um zu schauen, wie die Sache ausgegangen war. Sie sahen gerade noch die Flanke des Busses und darauf den Firmennamen Korpelas Tempo-Linien. Dann nahm ihn eine schaumgekrönte Welle, die von Amerika jenseits des Meeres gekommen war, in ihre Arme und begrub ihn unter sich. Der Bus versank und nahm Rentiermann Uula Lismanki mit sich.
    Der Ozean schäumte lange an der Stelle, an der der Fjällläufer aus Utsjoki mit dem Luxusbus versunken war. Die Selbstmörder wandten sich traurig ab. Sie gingen wortlos die paar Kilometer bis nach Sagres, wo
    Oberst Kemppainen und Korpela das Unglück bei der Polizei meldeten. Korpela erklärte einleitend, dass der Bus aus irgendeinem Grunde von allein ins Meer gerollt sei. Der Oberst ergänzte, dass mit dem Bus vermutlich ein Mitglied der Touristengruppe, Uula Lismanki aus Utsjoki, ertrunken sei. Die Polizei alarmierte den Kü­ stenschutz von Sagres, und von dort wurde ein Ret­ tungsschiff zur Unglücksstelle geschickt. Die Besatzung fand im Meer nicht die geringste Spur, nicht einmal Öl.
    Der Massenselbstmord der Anonymen Sterblichen kam aus natürlichen Gründen nicht zustande. Das Selbstmordinstrument war auf den Grund des Ozeans gesunken, und Busunternehmer Korpela dachte nicht daran, sich ein neues Fahrzeug als Ersatz anzuschaffen. Er war froh, dass er seine superteure Investition in Ehren losgeworden war. Ohne

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