Der wunderbare Massenselbstmord
dass der Bus baldmöglichst gefunden und ge stoppt werden müsste. Es stand zu befürchten, dass dreißig Finnen ihr Leben verloren. Finnlands Ruf im Ausland würde in einem solchen Falle schwer beschä digt, betonte der Vertreter der Tourismuszentrale. Wenn publik würde, dass sich eine finnische Gruppe unter Leitung eines Oberst und eines Geschäftsmannes ab sichtlich umgebracht hatte, so würde das nicht nur dem Tourismus, sondern auch dem Handel und der Export industrie Finnlands außerordentlich schaden. Was sollte man von einem Volk denken, dessen Mitglieder sich in großen Gruppen selbst töteten und zu dem Zweck auch noch ins Ausland reisten?
Nach Meinung der anwesenden Polizeivertreter war vorläufig nichts Gesetzwidriges passiert. Deshalb sollte die Sicherheitspolizei auch nicht Interpol einschalten. Laut Gesetz jagte die Polizei nur Verbrecher und keine Sonderlinge.
Die Blicke richteten sich auf den Psychiater. Konnte er in der Sache helfen? Die vermisste Reisegesellschaft war ja eindeutig verrückt und nicht nur für den Staat, sondern auch für sich selbst gefährlich. Der Arzt könnte vielleicht die ganze Gruppe in die nächste Nervenklinik einweisen, damit wäre die Sache von der Tagesordnung. Der Psychiater gab das zu, äußerte jedoch Zweifel, dass es möglich sein würde, ganze Touristengruppen auf einmal für verrückt zu erklären.
»Im Interesse des Rufes der Nation«, appellierten Ab teilungsleiter Hunttinen und Oberinspektor Rankkala an ihn. Der Arzt akzeptierte die Begründung jedoch nicht ohne weiteres. Er murmelte, dass im faschistischen Deutschland ähnliche Beweggründe geltend gemacht wurden, als man Menschen in Konzentrationslagern einsperrte.
Am schlimmsten war, dass niemand wusste, wo der Bus der geheimnisvollen Organisation derzeit herum kurvte.
Im Rahmen der Beratungen wurden für gewöhnlich ein Lunch und ein leichtes Abendessen eingenommen. Oberinspektor Rankkala begnügte sich mit Suppen und vegetarischen Gerichten und verzichtete auf Wein. Er beklagte sich beim Arzt, der ihm gegenübersaß, dass sein Magen schon während des ganzen Sommers nicht in Ordnung gewesen sei, und zwar seit dem Zeitpunkt, da er die Selbstmordsache übernommen habe. Sein Chef Hunttinen fügte hinzu, dass diese Symptome bei den Beamten der Sicherheitspolizei allgemein verbreitet seien. Die Arbeit sei stressig und undankbar. Verglichen mit jenen Beamten, die gewöhnliche Polizeiarbeit mach ten, litten die Beamten der Sicherheitspolizei doppelt so häufig an Magenbeschwerden. Der Psychiater bestätigte, dass der Beruf oftmals psychosomatische Störungen hervorrufe.
Der Ausschuss beschloss, über das Außenministeri um sämtliche europäischen Botschaften und Konsulate zu alarmieren und sie zu bitten, auf finnische Gruppen zu achten, die sich sonderbar aufführten. Das Kennzei
chen und die Beschreibung des Busses wurden weiter geleitet.
Zur dritten Sitzung des Ausschusses brachte Oberin spektor Ermei Rankkala alarmierende Nachrichten mit. Die Selbstmordorganisation hatte auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in der kleinen Stadt Wals rode eine Massenschlägerei veranstaltet. Die Handels mission in Hamburg hatte davon berichtet, nachdem sie von der deutschen Polizei Anfragen nach dem Hinter grund der Finnen erhalten hatte. Die Sicherheitspolizei war der Sache nachgegangen und war, je mehr sie sich damit befasst hatte, immer überzeugter geworden, dass es sich um kein gewöhnliches Handgemenge gehandelt hatte. Laut Aussage des an den Ort des Geschehens beorderten Militärattachés der finnischen Botschaft konnte man den Konflikt durchaus als kleinen Krieg bezeichnen; Anführer aufseiten der Finnen waren ein Oberst und zwei Unteroffiziere gewesen. Der Kampf hatte mit einem Sieg der Finnen geendet.
Der beratende Ausschuss traf sich von nun an zwei mal pro Woche. Oberinspektor Rankkalas Magen blute te.
Es sollte noch schlimmer kommen. In Frankreich, speziell dem Elsass, hatten sich die dortigen Behörden an die finnische Botschaft in Paris gewandt und mitge teilt, dass sie drei weibliche Personen aus Finnland des Landes verwiesen hatten. Die Frauen gehörten, wie man feststellen konnte, zu der gesuchten Geheimorganisati on. Sie hatten das Leben in einem ganzen Weintal auf den Kopf gestellt. Der Bus hatte anschließend seine Fahrt in die Schweiz fortgesetzt. Mit Schrecken wartete der Ausschuss auf weitere Informationen von den Bewe gungen der Gruppe. Diese
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