Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
Vom Netzwerk:
Burton.
    »Keinen Schimmer. Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Bin völlig überfragt. Vielleicht die Grundmauern, die sich gesetzt haben, als die Hitze des Tags verflog? Ah! Da haben wir’s! Rätsel gelöst.«
    Im Verlauf der nächsten zwei Stunden gingen sie die Geschichte der Familie Tichborne und die Umstände durch, die zur bevorstehenden Ankunft des Anspruchsstellers geführt hatten. Er wurde für den übernächsten Tag im Haus erwartet, und Lushington konnte es kaum erwarten, die Person zu sehen, die für so viel Furore gesorgt hatte.
    »Bogle, der Butler, der Jamaikaner – jedenfalls glaube ich, dass er Jamaikaner ist. Möglicherweise auch West-Inder. Jedenfalls ist er schon seit vielen Jahren bei der Familie. Er kannte Roger Tichborne und wird ihn zweifellos wiedererkennen, wenn er ihn sieht. Dann ist da noch der hiesige Arzt oder Doktor, Jankyn – was ist noch mal der Unterschied? Und der Gärtner, äh … äh … äh …«
    »Guilfoyle«, half ihm Swinburne.
    »Ah ja!«, erwiderte Lushington. »So heißt er, nicht wahr? Und Ihr Name, Sir?«
    »Algernon Swinburne. Wir wurden einander vor Kurzem vorgestellt, falls Sie sich noch erinnern. Und Sie sind wirklich verantwortlich für die Finanzen des Anwesens?«
    »Was ist mit Sir Alfreds Meinung?«, unterbrach ihn Burton hastig. »Gewiss lassen Sie die nicht außer Acht, oder? Immerhin ist er sein Bruder.«
    »Stimmt, allerdings hat er eigennützige Interessen. Ich bin überzeugt davon, ihm wäre viel lieber, dass dieser Bursche als Hochstapler entlarvt wird. Wenn nicht, verliert er das Anwesen.«
    Burton zeigte sich überrascht. »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, dass er seinen Bruder vorsätzlich verleugnen könnte, nur um den Titel zu behalten?«
    »Gütiger Himmel, natürlich nicht!«
    Ein Gong hallte durch das Haus.
    »Das ist der Ruf zum Mittagessen oder Abendessen oder so ähnlich. Wie spät ist es? Die Uhren hier funktionieren nicht. Ich habe nie auch nur die leiseste Ahnung, wie spät es ist!«
    Der Agent des Königs runzelte die Stirn und zog seine Taschenuhr hervor.
    »Es ist halb acht. Was meinen Sie damit, dass die Uhren nicht funktionieren?«
    »Genau das. Jeder Chronometer in diesem Haus ist vor etwa einem Monat stehen geblieben. Ich wage zu behaupten, dass Ihrer Uhr dasselbe Schicksal blüht, wenn Sie lange genug hier sind. Vielleicht hat es etwas mit der Lage des Gebäudes und dem Magnetismus der Erde zu tun. Ich weiß es nicht. Ich bin Soldat, kein Technokrat. Jedenfalls bringt Bogle Sie und Ihr Gepäck nun nach oben zu den Gästezimmern, damit Sie Ihre Abendgarderobe anlegen können. Nur eine Formalität. Einhaltung des Zeremoniells. Der Eckpfeiler der Zivilisation. Ein Mann sollte sich immer dem Anlass entsprechend kleiden, finden Sie nicht? Wir treffen uns in fünfzehn Minuten im Speisesaal wieder. Dort lernen Sie Sir Alfred kennen. Falls er kommt. Vielleicht tut er’s nicht.«
    Eine Viertelstunde später stiegen Burton und Swinburne in formeller Aufmachung die Prunktreppe hinunter. Der Dichter kicherte, als er daran zurückdachte, wie sich Burton vor einigen Wochen eine ähnliche Treppe weit weniger kontrolliert hinabbewegt hatte. Er fragte sich, ob Sir Roderick Murchison seinem Freund je verzeihen würde.
    Sie durchquerten den Korridor, in dem polierte Rüstungen stumm Wache standen, und betraten den langen Speisesaal. Ein pompöser Tisch beherrschte dessen Mitte, ringsum an den Wänden hingen Porträts.
    Bogle verneigte sich, als sie eintraten. Colonel Lushington begrüßte sie. »Das ist der junge Roger Tichborne«, sagte er und zeigte auf eines der Gemälde. »Während das« – er drehte sich weiter und deutete auf ein anderes – »sein Vorfahre ist, der berüchtigte Roger de Tichborne. Derselbe Name, wie Ihnen bestimmt aufgefallen ist, abgesehen von dem ›de‹. Ich glaube, es bedeutet ›von‹. Roger von Tichborne, und zwar weil er …«
    Er räusperte sich und verstummte.
    »Weil er was?«, hakte Swinburne nach.
    »Na, weil er von Tichborne war, junger Mann!«
    »Aha. Ich verstehe. Ein ziemlich fies aussehender Kerl.«
    »Oh, das würde ich nicht sagen«, ertönte eine Stimme von der Tür. »Aber vielleicht liegt das daran, dass ich eine unverkennbare Ähnlichkeit mit ihm besitze.«
    Sie drehten die Köpfe und erblickten zwei Männer, die über die Schwelle traten.
    »Darf ich Ihnen Sir Alfred Tichborne vorstellen?«, sagte der Colonel. »Sir Alfred, das sind Sir Richard Burton und sein Assistent … äh …

Weitere Kostenlose Bücher