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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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verstohlenen, missmutigen Blicke, wenn sich einer von uns ihnen nähert. Die Männer sind ausgelaugt und müde, und dass nun auch das mit den Wasservorräten geschehen ist, hebt ihre Stimmung auf keinen Fall. Sie haben Angst, dass sie hier in der Einöde sterben werden, und sie geben dir, mir und den anderen hohen Herren die Schuld dafür. Selbst die einfachen Soldaten und Priester haben sich schon anstecken lassen und fangen ebenfalls an zu murren. Wenn wir nicht zu einem Brunnen oder einer Oase ziehen, damit die Männer sehen, dass unsere Wasservorräte wieder aufgefüllt werden, ist eine Meuterei nicht auszuschließen.«
    Ramses schnappte nach Luft. »Was sagst du da? Eine Meuterei? Aber wieso? Wir haben genug Wasser, um noch gut eine Woche überleben zu können. Vom Proviant ganz zu schweigen.«
    »Das stimmt. Du weißt das, und ich weiß es auch. Der einfache Soldat, der niedere Priester oder Arbeiter weiß das aber nicht. Er kann die Lage nicht richtig beurteilen. Ihm ist nur bewusst, dass er sich seit endlosen Wochen in dieser gefährlichen Einöde aufhält und bekommt es mit der Angst zu tun. Und nun kommt noch die Furcht des Verdurstens hinzu.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    »Auf keinen Fall vor sie hintreten und sie tadeln«, riet Amunhotep. »Das würde die Stimmung unter den Leuten nicht bessern. Wir müssen diejenigen finden, die die schlechte Stimmung verbreiten, doch vor allem musst du dir deiner Soldaten sicher sein. Solange du auf die Getreuen vertrauen kannst, werden die Arbeiter es nicht wagen, sich gegen dich zu erheben.«
    Ramses schnaubte. »Wer ist der Herr der Beiden Länder? Sie oder ich? Wem also haben sie zu gehorchen, wenn nicht mir! Glaubst du wirklich, sie würden es wagen, sich gegen mich aufzulehnen?«
    Der Osiris-Priester zuckte mit den Schultern. »Im Normalfall nicht, doch die Angst um ihr Leben wird sie blind machen und vergessen lassen, wem sie ihren Gehorsam entgegenzubringen haben. Sie werden es sicher im Anschluss bereuen, doch dann könnte es zu spät sein, Ramses. Also, wenn ich dir einen Rat geben darf, so sprich mit den Hauptleuten, dass diese ihre Krieger unter Kontrolle halten, und lass uns schleunigst zur nächstgelegenen Oase ziehen. Wenn die Karten stimmen, befindet sich eine zwei Tagereisen westlich von hier. Die Männer müssen frisches, kühles Wasser und Schatten spendende Palmen zu Gesicht bekommen. Dann werden sie wieder neuen Mut fassen. Gönne ihnen zwei Tage und Nächte lang Ruhe, schicke die Soldaten auf die Jagd, und brate das frische Wild. Wir haben genug Gerste, um Bier zu brauen. Gib den Männern saftig gebratenes Fleisch, frisches Brot sowie kühles Wasser und Bier, und sie werden dir hinterher bis in den Tod folgen.«
    Ramses saß da und sah nachdenklich zu Amunhotep.
    Sein Freund hatte unbestritten recht. Wenn die Stimmung tatsächlich so miserabel war, dann musste er etwas unternehmen. Und warum sollte er nicht den Männern eine solche Abwechslung gönnen? Auf die paar Tage kam es nicht an. Anschließend wären sie erholt und guten Muts und würden umso mehr leisten können.
    »Meinetwegen«, stimmte er dem Vorschlag zu. »Es sei so, wie du es gesagt hast. Morgen ändern wir die Marschroute und ziehen zu der Oase. Doch ich will wissen, ob es unter meinem Gefolge Männer gibt, die die anderen gegen mich aufzuhetzen versuchen.«
    Ergeben neigte der Hohepriester den kahlen Kopf.
    Im Morgengrauen des zweiten Tages erblickten die Männer Palmen am Horizont und rieben sich verstört die Augen. Sie glaubten, einer Täuschung zum Opfer gefallen zu sein. Als ihnen bewusst wurde, dass alle sie sahen, schien es, als wüchsen ihnen mit einem Mal Flügel.
    Kurz vor dem Mittag hatte sie die Oase erreicht.
    Ramses ließ das Lager errichten und befahl den Soldaten, auf die Jagd zu gehen. Mit Einbruch der Dunkelheit kehrten sie zurück und brachten genug Fleisch, damit sich jeder nach Herzenslust den Bauch vollschlagen konnte. Die Überreste wurden gesalzen und getrocknet, um sie haltbar zu machen.
    Die Stimmung der Männer stieg zusehends, sodass Ramses mit einer zufriedenen und zuversichtlichen Schar nach zwei Tagen und Nächten seine Suche nach dem Fleisch der Götter fortsetzen konnte.
    Eine Woche später wurde er endlich fündig. Die Arbeiter legten eine ergiebige Ader frei. Ramses ließ sofort einen Brunnen graben und befahl den Bau einer kleinen, befestigten Siedlung, die den Arbeitern in der Zukunft Unterschlupf und Schutz für sich und ihre

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