Der Wunsch des Re
gewusst, dass Ipuwer dich töten will. Anderenfalls hätte ich ihm nie mein Wort gegeben, ihm dabei behilflich zu sein. Ich erfuhr erst von dem feigen, hinterhältigen Anschlag auf dich, als du bereits mit zerschmettertem Schädel im Haus des Lebens lagst.«
»Wieso ist es dir überhaupt möglich, einfach Gifte zu entnehmen, ohne dass der Vorsteher des Lebenshauses davon erfährt?«, schaltete sich der Wesir in das Verhör wieder ein.
»In Abydos läuft das etwas anders«, erklärte Paheri. »Djefahapi hatte irgendwann einmal die Weisung erteilt, dass der Oberste Arzt selbst für die Gifte verantwortlich ist. Dabei ist es bis heute geblieben.«
Fragend wanderte Nehis Blick zu Amunhotep, der die Augen weit aufgerissen hatte. »Hast du davon gewusst?«
Verstört schüttelte Amunhotep den Kopf. »Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir das völlig neu ist. Ich habe mich nie darum gekümmert, denn es war für mich undenkbar, dass diese jahrhundertealte Weisung von einem Oberpriester ohne Zustimmung Seiner Majestät geändert worden sein könnte. Ich entschuldige mich für meine Nachlässigkeit.« Er senkte verlegen den Kopf in Nehis Richtung, doch Nehi ging nicht weiter darauf ein.
Mit finsterer Miene wandte er sich wieder Paheri zu. »Warum hast du nach dem Attentat auf Amunhotep geschwiegen? Wäre es nicht spätestens da an der Zeit gewesen, den Mund aufzumachen und zu reden?«
»Sicherlich wäre das der rechte Zeitpunkt gewesen«, gestand der Heilkundige kleinlaut ein. »Ich hätte mich aber selbst als schuldig bekennen müssen und fürchtete mich vor der Strafe, die auf dieses Verbrechen steht.«
»Und dafür nahmst du auch in Kauf, dass eine unschuldige Dienerin wegen versuchten Mordes zum Tode verurteilt werden sollte?« Nehis Zorn war entfacht, während Paheri wie ein geprügelter Hund vor dem Tisch des Wesirs stand und keinen Ton erwiderte. »Geh mir aus den Augen. Ich kann deinen Anblick nicht länger ertragen!« Nehi gab der verbliebenen Wache unwirsch ein Zeichen. »Und hole den Schatzmeister!«, befahl er dem Soldaten, der bereits Paheri am Arm gepackt hatte und in Richtung des Ausgangs zerrte.
Wenig später wurde der protestierende Ipuwer von zwei Dienern vor Pharaos höchsten Beamten gebracht.
»Was soll das, Nehi?«, fuhr der Schatzmeister den Wesir rüde an. »Ich werde von deinen Männern wie ein Verbrecher behandelt.«
»Und das bist du auch!«, schnauzte Nehi zurück. »Schlimmer noch, du bist ein Mörder.«
Ipuwer blieb die Spucke weg. »Was sagst du da? Ich bin ein Mörder? – Was hat Paheri, diese kleine Ratte, für Lügen über mich erzählt?«
In knappen Worten berichtete Nehi, was er und Amunhotep soeben erfahren hatten, und Ipuwers Kopf lief vor Wut rot an.
»Das sind infame Lügen!«, protestierte er. »Nichts davon ist wahr. Ich weiß nicht, welcher böse Dämon in Paheris Herz eingedrungen ist und es vergiftet. Ich habe weder Djefahapi umgebracht noch habe ich einen Anschlag auf das Leben von Amunhotep verübt.«
»Das werden wir noch herausbekommen«, erwiderte Nehi kühl, der sich wieder beruhigt hatte. »Von Paheri wurdest du bereits schwer belastet. Ich bin gespannt, was Dedi noch alles ausplaudern wird, wenn der Stock auf seinem Rücken tanzt. Du kommst zusammen mit Paheri und mir nach Theben. Dort werdet ihr beiden vor ein Gericht gestellt, dem ich vorsitzen werde. Sollen die Beisitzer entscheiden, ob du schuldig bist oder nicht. Paheri und Dedi haben ihre Verfehlungen bereits eingestanden.«
Nehi stand auf und verließ von Amunhotep gefolgt den Raum.
* * *
Eine Woche später fand im thebanischen Gerichtshof die Verhandlung statt.
Ipuwer war noch einmal gründlich verhört worden, doch er war bei seiner Aussage geblieben, unschuldig zu sein. Selbst Stockschläge hatten ihn nicht umzustimmen vermocht. Dedi hingegen bestätigte, dass Ipuwer sowohl über die Geschäfte von Paheri unterrichtet war als auch ihn, Dedi, zu dem Mordanschlag auf Amunhotep angestiftet hatte.
Sie alle – Dedi, Ipuwer, Paheri und dessen Bruder, den man unweit von Theben auf seinem Landsitz festgenommen hatte – wurden zum Tode verurteilt. Nehi gestattete Ipuwer und Paheri aufgrund ihrer früheren Ämter, sich innerhalb von drei Tagen selbst zu töten, um sich die Schande einer Hinrichtung zu ersparen. Anders verfuhr man hingegen mit den beiden anderen Verurteilten. Gleich nach der Gerichtsverhandlung wurden sie ins benachbarte Gefängnis gebracht. Einen Tag später, nachdem
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