Der Wunsch des Re
Stimme; dann lag sie auch schon auf den Knien vor dem Herrn der Beiden Länder.
»Lass uns allein, Juri, und du, Satra, darfst dich erheben!«
Leise ging die Tür hinter Satra zu.
Verunsichert seufzte sie und erhob sich, wagte aber nicht, den Blick zu heben, da sie nicht wusste, ob Ramses bekleidet war oder nicht.
»Komm her und hilf mir beim Ankleiden!«, hörte sie seine befehlende Stimme. »Da du nicht daran glaubst, dass ich ein Gott bin, wirst du dich sicher auch nicht fürchten, mich zu berühren. Nebenbei kannst du mir erzählen, was dein Gebieter mir mitteilen lässt!«
Satra stand wie angewurzelt da und konnte sich nicht bewegen.
Wie kommt Seine Majestät bloß darauf, dass ich ihn nicht für göttlich halte?, fragte sie sich besorgt, und ihre Handflächen wurden feucht.
Ramses schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Der Oberpriester berichtete mir, dass du mich mit ihm und mit dir verglichen hast. Stimmt das?«
Satra schluckte hörbar und wäre in diesem Moment am liebsten im Boden versunken, der mit wunderschönen farbigen Fliesen in floralem Muster belegt war.
O Osiris, bitte, warum muss ich ihm darauf antworten?
»Ja, Majestät, in gewisser Weise schon«, wand sie sich verzweifelt. »Du musst essen, trinken und schlafen wie jeder andere deiner Untertanen auch. Du kannst erkranken, und so wie alle anderen Lebewesen wirst auch du eines Tages sterben oder – was die Götter verhindern mögen – man könnte dich sogar töten. Aber, Majestät, ist ein Gott nicht unsterblich?« Satra nahm all ihren Mut zusammen, hob den Kopf und sah den König fragend an.
Ramses saß mit einem einfachen Lendentuch um die Hüften gebunden auf seinem zerwühlten Bett. Sein Schädel war kahl rasiert, was Satra zwar geahnt, aber nicht wirklich gewusst hatte, da sich der Pharao in der Öffentlichkeit niemals barhäuptig zeigte. Seine Augen waren ungeschminkt, und auf seiner Brust funkelte ein Amulett des Gottes Re.
Bedächtig erhob er sich von seinem Lager und trat auf sie zu, bis er so dicht vor ihr stand, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte.
»Du erkennst in mir nicht die Göttlichkeit, dennoch hast du Angst vor mir«, stellte er nüchtern fest, da ihm das leichte Zittern nicht entging, das durch Satras Körper fuhr. »Warum? Dienst du mir nur aus Furcht?«
»Nein, Majestät. Mir ist bewusst, über welche Macht du verfügst. Auch wenn ich dich nicht als lebenden Gott im Sinne des Wortes
Gott
ansehe, so weiß ich doch, dass du der Herr über Leben und Tod bist. Das ist der Grund, weshalb ich dich fürchte. Ich weiß aber auch, dass du ein guter und gerechter Herrscher bist, der die Götter und die Maat achtet. Deshalb ist es nicht die Furcht vor dir oder deiner Macht, die mich dir treu und ergeben dienen lässt, sondern der Respekt und die Achtung vor deiner Person und deinen Taten.«
Ramses hatte Satra regungslos zugehört. Ihre Blicke trafen sich, und seiner schien sich tief in ihren Körper zu bohren und bis in ihr Herz zu dringen, doch sie hielt ihm stand.
Noch nie hatte es jemand gewagt, so zu ihm, dem Pharao, zu sprechen. Noch nie hatte ein Mensch eine solche Wortwahl ihm gegenüber benutzt, um seine Treue und Ergebenheit zum Herrn der Beiden Länder zu bekunden. Satras Antwort war ungewöhnlich doch Ramses wurde nicht zornig. Er erkannte, dass sie es ehrlich meinte mit dem, was sie soeben zu ihm gesagt hatte. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er ihr voll und ganz vertrauen konnte. Nie würde sie etwas tun, was ihm Schaden zufügen könnte.
Er trat wieder zurück und setzte sich auf die Kante seines Bettes. »Welche Nachricht sollst du mir von deinem Gebieter ausrichten?«
Erleichtert atmete Satra kurz durch. »Die Lösung ist gefunden, Majestät. Die Pläne sind fertiggestellt. Mein Gebieter und ich, wir haben an alles gedacht, auf dass du nach deinem Tod an der Seite der Götter schreiten kannst.« Unauffällig wischte sie sich die schweißnassen Hände an ihrem Lendentuch ab.
»Und Amunhotep glaubt, dass alles so ausführbar ist, wie ich es wünsche?«
»Ja, Majestät. Wir haben, ähm ... ich meine, mein Gebieter hat alles gut durchdacht und will morgen beginnen, ein Modell zu bauen, um dir daran alles erklären zu können. Zudem wird es zeigen, ob und wie sich alles auf der Baustelle realisieren lässt.«
»Du wirst ihm dabei helfen?«
»Ja, Majestät«, erwiderte Satra nicht ohne Stolz, »ich darf meinem Herrn zur Hand gehen.«
Ramses lächelte verschmitzt. Ihm war
Weitere Kostenlose Bücher