Der Wunsch des Re
alles unternommen, um sie vor dem Verfall zu retten und die gefundenen Schätze vor Räubern zu bewahren.«
Wenn Ramses auch noch gewisse Zweifel hegte, so waren die meisten davon nun zerstreut, und Zufriedenheit machte sich auf seinen gebieterischen Gesichtszügen breit. Immerhin würden bis zu Satras Zeitalter noch gut 3100 Jahre vergehen. In dieser langen Zeitspanne hatten ihm die Götter längst schon den Fährmann gesandt.
»Also gut, dann sei es so. – Amunhotep«, wandte er sich wieder seinem Freund zu, »baue das Modell, erstelle und prüfe alle Baupläne, und lege sie mir nochmals vor. Ich werde dann eben im heiligen Boden von Abydos, in der unmittelbaren Nähe des Großen Gottes Osiris, mein Haus für die Ewigkeit beziehen.«
Ergeben neigte Amunhotep den Kopf. »Erteilst du mir die Erlaubnis, wieder nach Abydos zurückzukehren, um dort meinen Aufgaben nachkommen zu können? Ich würde gern vor Ort mit den Berechnungen und genauen Bauplänen beginnen. Zudem war ich schon länger als üblich meinen Pflichten als Vorsteher der Osiris-Priesterschaft fern.«
»Nein, mein Freund, diese Erlaubnis kann ich dir vorerst nicht gewähren«, widersprach Ramses seiner Bitte. »Ich werde noch heute einen Boten nach Abydos senden, der Netnebu ausrichten soll, mit Beginn des neuen Jahres die Arbeiten an der Säulenhalle wieder aufzunehmen. Netnebu wird durch mich in den Rang des Dritten Propheten berufen ...«
»Des Dritten Propheten ...?«, platzte Amunhotep heraus und errötete.
»Ja«, antwortete Ramses. »Du hast dich nicht verhört. Es ist an der Zeit, dass auch die Priester eines kleinen, aber dennoch bedeutenden Heiligtums gebührend angeredet werden. Fortan wirst auch du in allen Schreiben als Hohepriester und nicht mehr als Vorsteher betitelt sein. Netnebu übertrage ich die Pflichten des verurteilten Paheri, denn auch Netnebu ist der Heilkunst fähig. Du hingegen wirst in Zukunft neben deinen die Aufgaben von Ipuwer übernehmen. Ich weiß, dass ich dir damit eine große Last auf die Schultern lade, ich weiß aber auch, dass du mich nicht enttäuschen wirst.« Er schmunzelte. »Vorerst befehle ich jedoch, dass du in Theben bleibst, bis das Neujahrsfest vorüber ist. Ich will die Feiertage nutzen, um das Jubiläum meines Erscheinens auf dem Thron der Beiden Länder gebührend zu feiern. Vor eineinhalb Monaten hatte ich dafür keine Zeit. Nun gedenke ich, zur Freude meines Volkes ein großes Fest zu geben, und ich will, dass auch du daran teilnimmst!«
Der soeben vom Tempelvorsteher zum Hohepriester aufgestiegene Amunhotep verneigte sich. »Wie du befiehlst, Majestät. Ein paar Ruhetage werden weder mir noch Satra schaden.« Er sah zu seiner Dienerin, die sichtlich erfreut war, den Beginn des neuen Jahres und die damit verbundenen Festlichkeiten in Theben erleben zu dürfen.
NEUN
Das dreidimensionale Modell des Allerheiligsten mit der darunter befindlichen Grabstätte war noch lange nicht fertig, als die letzten fünf Tage des alten Jahres anbrachen und Amunhotep die Arbeit stoppte.
»Warum machen wir nicht weiter?«, fragte Satra verwundert. Sie sehnte sich zwar ebenfalls nach etwas Erholung, dennoch juckte es ihr in den Fingern, das Modell fertigzustellen.
»Dazu ist nach den Festtagen noch Zeit«, antwortete Amunhotep und zwinkerte ihr zu.
»Das Neujahrsfest beginnt doch erst in sechs Tagen.« Verständnislos sah sie ihn an.
»Richtig, doch die letzten fünf Tage eines jeden Jahres gelten als besonders gefährlich«, erklärte Amunhotep, während er die bereits sorgsam zurechtgesägten Teile in Tücher einschlug und in einer Truhe verstaute. »Es ist eine Zeit, in der die Mächte des Chaos versuchen, Kemi zu zerstören. Die löwenköpfige Göttin Sechmet hetzt ihre wilden Horden über das Schwarze Land und versucht, Seuchen und Krankheiten zu verbreiten. Die Leute bleiben an diesen Tagen lieber in ihren Häusern, während wir Priester unablässig unsere Gebete und Gesänge verrichteten und den Göttern mehr Opfer als gewöhnlich darbringen. Es ist aber auch eine Zeit, in der jeder auf das Steigen des Flusses wartet. Die Priester eilen täglich hinunter zum Nil, um anhand von steinernen Markierungen festzustellen, ob der Fluss über die Ufer tritt.«
»Nilometer werden diese Markierungen genannt«, erinnerte sich Satra, der auch die übrigen Erklärungen des Hohepriesters nicht gänzlich neu gewesen waren. Dennoch hätte sie nicht vermutet, dass sich Amunhotep so strikt
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