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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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zutiefst, dass er Garth nicht gesagt hatte, wie sehr er ihn schätzte und dass er besser als jeder Vater gewesen war. Außerdem bereute er, in den vergangenen Monaten praktisch nie zu ihm in den Schankraum gegangen zu sein, obwohl es Garth sehr viel bedeutet hätte.
    »Garth ist furchtbar stolz auf dich gewesen und hat dich wie seinen eigenen Sohn geliebt«, hatte Belle erwidert. Sie wusste, dass Garths Tod auch für Jimmy große Probleme mit sich bringen würde. Er konnte den Platz seines Onkels nicht einnehmen, und das würde sein Gefühl von Nutzlosigkeit nur noch verstärken.
    Als Belle von oben ein dumpfes Krachen hörte, sprang sie auf und rannte die Treppe hinauf. Sie fand Jimmy neben dem Bett auf dem Fußboden vor.
    »Was ist passiert?«, fragte sie, aber als sie sich über ihn beugte und feststellte, dass er schweißgebadet war, wusste sie sofort, wasgeschehen war: Offensichtlich hatte er zur Toilette gemusst und vergessen, dass er nur noch ein Bein hatte.
    Er war zu durcheinander, um auch nur zu versuchen, sich hochzustemmen, deshalb lief sie ins Badezimmer, um einen alten Nachttopf zu holen. Dann lehnte sie Jimmy ans Bett und half ihm, in den Topf zu urinieren.
    Als er fertig war, ließ sie ihn etwas Wasser trinken, und bettete ihn wieder in die Kissen. »Versuch nicht noch einmal aufzustehen, ruf einfach nach mir!«, sagte sie. »Ich bin hier.«
    Belle verbrachte die Nacht in eine Decke gewickelt im Lehnstuhl, doch jede Stunde, wenn sie hörte, dass Jimmy unruhig wurde, stand sie auf, wusch ihn mit kaltem Wasser ab, weil er am ganzen Körper glühte, und versuchte, ihn dazu zu bringen, etwas zu trinken. Obwohl sie Angst hatte und sich sehr allein fühlte, war sie froh, dass Mog nicht aufgewacht war.
    Es war eine Erleichterung, das erste Licht der Morgendämmerung zu sehen und irgendwo in der Nähe einen Vogel zwitschern zu hören. Doch als das Morgenlicht allmählich ins Zimmer drang, stellte sie voller Entsetzen fest, dass Jimmys Gesicht aschfahl und eingefallen aussah.
    »Trinkst du bitte noch einen Schluck Wasser? Für mich, ja?«, flüsterte sie.
    Seine Augenlider flatterten. »Lass mich gehen!«, krächzte er.
    »Nein, Jimmy, du musst kämpfen«, sagte sie, schob einen Arm unter seine Schultern und hob ihn an, damit er trinken konnte.
    Jetzt öffnete er die Augen, und als das Sonnenlicht hineinfiel, sahen sie aus wie flüssiges Gold, genau wie an jenem Tag, als sie ihm im Alter von fünfzehn Jahren in Seven Dials zum ersten Mal begegnet war. »Ich kann nicht. Ich bin es müde zu kämpfen. Du wirst ohne mich ein besseres Leben haben.«
    »Nein, Jimmy, ich brauche dich!«, flehte sie. »Wir können ein gutes Leben haben, wir gehören zusammen.«
    »Alles Gute, das es geben kann, hatten wir schon«, sagte er. Seine Stimme war jetzt klarer, und er fixierte sie, als wollte er sie daranhindern, ihn zu unterbrechen. »Der Mann, den du geliebt hast, ist in Ypern gestorben, lange bevor mich die Granate zum Krüppel gemacht hat. Selbst wenn ich in einem Stück zurückgekommen wäre, wäre ich nicht mehr der Jimmy gewesen, den du gekannt hast. Der Dreck, die Brutalität, der Gestank nach Verwesung, der Schlamm und der Kanonendonner haben ihn getötet. Ich glaube an nichts mehr, nicht an König und Vaterland, nicht an Gott. In mir ist alles tot.«
    »Das denkst du jetzt, weil du krank bist und dein Onkel gerade gestorben ist«, schluchzte Belle, und obwohl sie die bittere Wahrheit, die aus seinen Worten klang, bis ins Herz traf, versuchte sie verzweifelt, ihn zu überzeugen, dass er unrecht hatte. »All die Gräuel, die du erlebt hast, sind jetzt vorbei. Denk daran, was ich in Paris durchgemacht habe! Ich war wie du jetzt davon überzeugt, dass ich es nie vergessen könnte und niemals wieder glücklich sein könnte. Aber ich habe es geschafft, weil du nicht aufgehört hast, mich zu suchen. Als ich zurückkam, hast du mir das Gefühl gegeben, wieder heil und ganz zu sein. Dasselbe kann ich für dich tun.«
    »Nein, das kannst du nicht. Das Leben mit mir wird dich nur elend und unglücklich machen.« Seine Stimme wurde wieder schwächer. »Lass mich gehen, Belle! Behalte mich so in Erinnerung, wie ich einmal war!«
    Sie legte beide Arme um ihn, drückte ihn fest an sich und weinte. Als sie die ungeheure Hitze spürte, die er ausstrahlte, ließ sie ihn los, damit er sich wieder hinlegen konnte. Seine Augen waren geschlossen, und sein Atem ging flach. Sie knöpfte seine Pyjamajacke auf und rieb ihn mit dem kalten,

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