Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
zu geben, wie der Barde selbst herumkam und so schnell von einem Reich zum anderen reiste.
Elli zwirbelte eine ihrer Locken und überlegte. Obwohl ihr Verstand – und ihr besseres Wissen – ihr sagten, dass diese ganze Idee idiotisch war, könnte es funktionieren. Und schließlich verfügten die Kristalle, die sie und Nuic trugen, über sehr große Kraft. Rhia, die Herrin vom See, meinte, sie besäßen mehr Magie als alles andere in Avalon – ausgenommen vielleicht Merlins Stab, der legendäre Ohnyalei.
Oder vielleicht, dachte Elli schaudernd, der Kristall aus Élano, der jetzt in den Händen dieses Mörders Kulwych war, des Dieners Rhita Gawrs. Denn dieser Kristall war, anders als der reine, den sie trug, in eine schreckliche Waffe verwandelt worden. Wer konnte sagen, ob der Mensch, der sie schwang, je zu besiegen war?
Das war ihre Aufgabe, sie wusste es: Kulwych zu finden, der sich irgendwo in der tiefsten Höhle des dunkelsten Reichs aufhielt. Und ihn mit aller Kraft, die sie und ihr Kristall aufbrachten, an der Zerstörung Avalons zu hindern.
Aber für all das hatte sie zu wenig Zeit! Weniger als eine Woche, wenn sie richtig gerechnet hatte. Genau wie Tamwyn viel zu wenig Zeit hatte, seinen Weg zu den Sternen zu finden und Rhita Gawr aufzuhalten.
In der Ferne schwoll die Musik der Harfen mit ihren Dunstsaiten an. Die Klänge wirkten jetzt klarer und dringlicher. Während Elli lauschte, stieg die Weise zu einem hohen schmetternden Ton, der wie ein verzweifeltes Flehen klang.
Eine Erinnerung an Tamwyn schoss Elli durch den Kopf:Er zeigte ihr die halb fertige Harfe, an der er schnitzte, in der Hoffnung, sie Elli zu schenken, wenn sie tatsächlich das alles überlebten. Mehr denn je war sie davon überzeugt, dass die Zerstörung von Kulwychs Kristall auch Tamwyn bei seiner Aufgabe helfen würde. Schließlich war der verdorbene Kristall das Werkzeug von Kulwych, der selbst das Werkzeug von Rhita Gawr war. Vielleicht konnte ihr Erfolg zu dem von Tamwyn beitragen.
Sie holte tief Luft und trat näher an den Rand. Grimmig schaute sie hinunter zu Nuic, der ungeduldig nickte. Und dann war es so weit –
Sie sprang.
Einen Augenblick schwebte Elli in der Luft, gerade lange genug, um zu sehen, wie Nuic ebenfalls von der Wolke sprang. Dann fiel sie! Wirbelnd, purzelnd, Hals über Kopf stürzte sie immer schneller in die Tiefe. Luft zischte vorbei, blähte ihr Gewand auf und zerrte an ihrem Haar. Tränen strömten ihr aus den Augen. Panik überkam sie plötzlich und trübte alle ihre Gedanken.
Bis auf einen. Eine Stimme verschaffte sich Gehör, die sie als die des Barden erkannte.
Denkt daran
, hatte er gesagt.
Denkt nur daran, wohin der Wind euch tragen soll.
Elli mobilisierte jedes bisschen Willenskraft, über das sie verfügte, bekämpfte ihre Panik und konzentrierte sich auf Schattenwurzel, das Reich der ewigen Nacht. Niemand außer dunklen Elfen und Todesträumern – und jetzt dem Hexer, den sie suchte – wählte diesen Wohnort; sehr wenige hatten je gewagt, das Land zu erkunden seit dem Kampf, der seine einzige Pforte geschlossen und die Stadt desLichts zerstört hatte. Finsternis war die Seele dieses Reichs und verbarg seine Geheimnisse für immer.
Immer noch fiel sie! Einen Moment lang schwand Ellis Konzentration und die Luft riss an ihr, während sie tiefer, tiefer, tiefer stürzte. Ohne zu denken, umklammerte sie das Blätteramulett mit ihrem Kristall. Mit all ihrer verbliebenen Kraft richtete sie die Gedanken wieder auf Schattenwurzel und die Aufgabe, die sie unbedingt erfüllen wollte.
Mit einem harten Ruck endete ihr Fall. Der Wind schien sich gelegt zu haben, völlig verschwunden zu sein. Dann hatte Elli das Gefühl, gehoben zu werden, sie schwebte wie eine Feder im Aufwind.
Plötzlich erkannte sie: Der Wind war nicht verschwunden. Er hob sie ganz einfach, trug ihren Körper auf seinen unsichtbaren Armen. Obwohl sie ihn nicht mehr spürte, war er überall um sie herum und trug sie mühelos.
Sie ritt den Wind.
Nicht weit über ihr schwebte Nuic. Seine winzige Hand hielt den grünen Juwelen gepackt, während seine Haut sich zu einem zufriedenen Blau färbte. Er drehte sich zu Elli und grinste schief. Fast konnte sie hören, wie er mit seiner rauen Stimme sagte:
Lange genug hast du ja gebraucht, Elliryanna.
Der Wind schwoll unter ihnen an wie eine Welle. Schnell trug er sie durch luftige Straßen zwischen Wolken und durch schimmernde Nebelschleier, die zu runden Regenbogen zerbarsten, sobald sie
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