Der Zauber von Savannah Winds
und sank wie eine Stoffpuppe darauf. »Mir ist ganz komisch«, murmelte sie.
»Wahrscheinlich zu viel Sonne abgekriegt und nicht genug gegessen.« Martha drückte ihr den Kopf auf die Knie. »Atme tief durch, und behalte den Kopf unten, bis er wieder klar ist!«
Fleur gehorchte. Kurz darauf ließ der Schwindel nach. »Entschuldige. Das passiert mir normalerweise nicht.« Sie nahm ein Glas Wasser von Martha entgegen und trank mit tiefen Zügen. Dann ging es ihr besser. »Am besten esse ich die Sandwiches, bevor ich mich komplett zur Närrin mache«, sagte sie, bemüht, die peinliche Situation herunterzuspielen.
»Bleib sitzen, ich bring sie dir.« Martha stellte den Teller neben Fleur, setzte sich und schaute ihr Gegenüber besorgt an. »Das alles ist vermutlich nicht leicht für dich. Schließlich warst du noch ein Säugling, als Selina dich mit nach Hause brachte. Diese Heimkehr weckt große Emotionen. Kein Wunder, dass du dich schwach fühlst.«
»Ich habe mich wahrscheinlich übernommen«, räumte Fleur ein. »Die letzten Monate waren ohnehin aufreibend. Aber nachdem ich das über meine Mutter erfahren habe, war ich völlig durch den Wind.« Sie biss hungrig in ein Sandwich mit Käse und Tomaten.
»Hör zu, Fleur, ich muss dir was sagen. Als du bei Selina warst, ist eine Nachricht von Sal gekommen … «
Fleur schluckte und schob den Teller beiseite. Angesichts von Marthas ernster Miene raste ihr Puls, und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. »Was ist los? Was ist passiert? Doch nicht etwa Greg?«
Martha legte Fleur eine Hand auf den Arm. »Dein Vater«, sagte sie leise.
Fleur schämte sich wegen der Erleichterung, die sie empfand. »Was war es? Ein Herzinfarkt?«
Martha nickte. »Wahrscheinlich hat er nicht allzu viel leiden müssen. Nach allem, was man hört, war es ein schwerer Infarkt.« Sie schaute Fleur fragend an. »Du bist anscheinend nicht … Ich meine … « Sie verstummte, offenbar peinlich berührt.
»Schon gut, Martha«, besänftigte Fleur sie hastig. »Dad hat mir nie sehr nahegestanden. Und als ich erst entdeckt hatte, wie sehr er mich hinsichtlich meiner Mutter getäuscht hat … Tja, danach ging gar nichts mehr. Ich kann nicht so tun, als sei ich traurig über seinen Tod.« Sie lächelte schief. »Das klingt furchtbar, nicht wahr? Aber so ist es nun mal. Vermutlich wird Beth die Einzige sein, die aufrichtig um ihn trauert.«
Martha nickte verständnisvoll und bemühte sich um eine unverbindliche Miene. »Die Beerdigung ist für Anfang nächster Woche angesetzt.«
Fleur dachte an ihre Mutter, die unter Gras und Wildblumen lag – dachte an die Jahre, in denen sie sich hätten kennenlernen und lieben können, um die sie aber betrogen worden waren, und schüttelte den Kopf. »Ich fahre nicht hin«, flüsterte sie.
16
D as Abendessen bestand aus köstlichem, selbst zubereite- tem Huhn, Gemüsesuppe und Schinkenquiche mit dem lockersten Teig, den Fleur je gekostet hatte. Sie hatte wieder Appetit. Als alle vom Küchentisch aufstanden und ins Wohnzimmer gingen, sank Fleur satt und zufrieden auf die Couch.
Das Kernstück des Hauses war ein großer quadratischer Raum mit einem imposanten Kamin, dessen prasselndes Feuer die nächtliche Kühle vertrieb. Tiefe Sofas, ein altes Klavier und mehrere Bücherregale füllten das Zimmer, in dem jede Oberfläche mit abgelegten Büchern, Zeitschriften und landwirtschaftlichen Katalogen bedeckt war. Es war warm, heimelig und einladend.
»Du siehst jetzt viel besser aus«, sagte Martha lächelnd und machte sich an den Polstern zu schaffen. »Morgen solltest du vielleicht nicht so lange in der Sonne bleiben.«
»Ich bin diese heftige Hitze nicht gewöhnt«, gab Fleur zu, »und es war ein Tag voller Emotionen.«
»Willst du Greg anrufen oder deine Schwestern? Das Telefon steht in Johns Büro. Da bist du allein.«
»Morgen vielleicht«, antwortete sie. Gregs Stimme würde nur schmerzhafte Erinnerungen wecken. Entschlossen, sich keine Gedanken über ihn und die Auswirkungen zu machen, die der Tod ihres Vaters haben würde, wandte sie sich an John. »Wie ich hörte, hast du ein paar alte Fotos ausgegraben«, sagte sie strahlend. »Ich würde sie mir gern ansehen.«
John durchquerte das Zimmer und nahm einen Stapel Alben vom Klavier. Er machte Platz auf dem Couchtisch und schlug das erste auf. »Das war Selina als kleines Kind«, begann er.
Eine knappe Stunde später griff er nach dem letzten Album. »Ich habe die besten Fotos herausgesucht.
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